Keine halben Siege
Von Arnold SchölzelDas Attribut »Internationale« im Namen »Rosa-Luxemburg-Konferenz« ist das wichtigste Motto dieses einzigartigen Treffens der Linken in der Bundesrepublik. Es wird über den deutschen Tellerrand geschaut, auch bei »Gegen rechts ist nicht genug – Sozialistische Alternativen erkämpfen«.
Das Angebot zieht: Erneuter Rekordbesuch mit mehr als 2.800 Gästen, darunter sehr viele junge. Die Räume der Tagungsstätte in Berlin-Moabit haben Platz für alle, ebenso das große Atrium für die Ausstellung der Künstlergruppe »Tendenzen« und die Bücherstände. Ärgerlich: Anders als angekündigt wird die Veranstaltung nicht auf Bildwände übertragen. Im Konferenzsaal eröffnet um 11 Uhr der Berliner Kabarettist Dr. Seltsam, der durchs Programm führen wird. Erster Referent: Jean Wyllys, brasilianischer Literaturwissenschaftler und linker Parlamentsabgeordneter. Er sagt zum Putsch in seinem Land: »Die Oligarchen wollen die soziale Teilung der Gesellschaft verewigen.« Danach Arnaldo Otegi, Philosoph, Generalsekretär der linken baskischen Unabhängigkeitspartei Sortu in Spanien. Sie sei nicht nationalistisch, sondern internationalistisch. Er ruft zu weltweiter linker Koordination auf, damit sich nicht wiederholt, wie z. B. die Bevölkerung Griechenlands in ihrem Kampf gegen die Kapitaldiktatur im Stich gelassen wurde.
Die kalifornische Lehrerin Marylin Zuniga schildert am eigenen Beispiel »wie die USA funktionieren«: Sie wurde entlassen, weil sie mit Schülern Solidaritätsbriefe an den seit mehr als 35 Jahren inhaftierten US-Publizisten Mumia Abu-Jamal richtete. Dann Repräsentanten eines historischen Sieges, des Friedensschlusses zwischen FARC-Guerilla und kolumbianischem Staat: Alberto Pinzón, kolumbianischer Arzt und Journalist, an den damals gescheiterten Friedensverhandlungen mit der Regierung in Bogotá im Jahr 2001 beteiligt, und Guillermo Quintero, mexikanischer Filmemacher. Sie haben eine Videobotschaft der FARC-Comandantes an die Konferenz im Gepäck, die mit stürmischem Beifall begrüßt wird.
Gruß nach Kuba: Die Versammlung ehrt Fidel Castro, der am 25. November 2016 starb. Gruß aus Kuba: Arlín Alberty Loforte, stellvertretende Leiterin der internationalen Granma-Ausgabe, betont, wie schwer trotz wiederhergestellter diplomatischer Beziehungen mit den USA deren Blockade auf ihrem Land lastet. Die deutsche Granma-Ausgabe wird seit 1. Januar vom jW-Verlag betreut. Zum Abschluss: Ertugrul Kürkcü, linker türkischer Politiker und Journalist, HDP-Parlamentsabgeordneter. Er überbringt eine Grußbotschaft des eingeladenen, aber inhaftierten HDP-Kovorsitzenden Selahattin Demirtas, und beschreibt die Lage in der Türkei: »Gegen den Faschismus gibt es keine halben Siege.« Der NATO-Staat müsse international isoliert werden. Dazu könnten deutsche Linke, wenn sie sich organisieren, beitragen.
Zwischen den Referaten: Bericht vom Jugendforum, Lieder von Heinz Ratz und Nicolás Miquea, Gespräche von M&R-Chefredakteurin Susann Witt-Stahl mit Sängern der italienischen Gruppe »Banda Bassotti«, mit dem Schauspieler Rolf Becker über die beiden Veranstaltungen, die er im Herbst 2016 mit Esther Bejarano und Moshe Zuckermann moderierte. Demnächst gibt es den Film dazu. Ausblick auf die Proteste gegen die »Münchner Sicherheitskonferenz«, auf die gegen G 20 in Hamburg im Juli und auf die nächste Lenin-Ausgabe im jW-Verlag 8. Mai. Geschäftsführer Dietmar Koschmieder zieht eine kurze Zwischenbilanz der im Oktober 2016 begonnenen Werbekampagne für die Zeitung: Die Zahl der Abonnenten ist zur Zeit so hoch wie noch nie seit Gründung des Verlags 1995, 312 neue Genossenschaftsanteile zu je 500 Euro wurden in den zurückliegenden drei Monaten gezeichnet. Er lädt zur Feier des 70. jW-Geburtstages für den 25. Februar ins Berliner Kino »International«. Es wird diese Zeitung und diese Konferenz weiterhin geben. Der abschließende Gesang der »Internationale« bleibt Programm.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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