Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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21.09.2021, 14:11:14 / Rosa-Luxemburg-Konferenz 2018

Wir sind es

Die neue Melodie & Rhythmus hat das Schwerpunktthema »Afrika«
Von Christof Meueler
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Die ökonomischen Bedingungen bleiben terroristisch: Wussten Sie, dass bei einer Großwildsafari der Abschuss der »Big Five« (Elefant, Löwe, Büffel, ­Leopard und Nashorn) bis zu 175.000 Euro Dollar kostet? (Schreibt Matthias Rude in seinem Text über »Herrenmenschenkultur«)

Ein Klassiker des Comic und des Rassismus: »Tim im Kongo«, aus der berühmten Reihe Tim und Struppi. Die Kongolesen erscheinen als faul und dumm, haben wulstige Lippen und radebrechen dummes Zeug: »Massa! (…) Dingsbums Gefangener futsch!« Der Reporter Tim geht auf Großwildjagd und muss aufpassen, dass er nicht selbst getötet wird – natürlich von einem weißen Bösewicht, weil die Schwarzen nicht ernst zu nehmen sind. Der Tim-Schöpfer, der belgische Zeichner Hervé, entschuldigte sich später dafür, dass er die Kongolesen als »große Kinder« präsentiert habe, doch gegen ein kritisches Vorwort, mit dem der Comic in den USA und in Großbritannien erschien, wehrte sich in Deutschland der Verlag, angeblich hätten die Hergé-Erben etwas dagegen. »Tim im Kongo« erschien erstmals 1930 als Fortsetzungsgeschichte, damals gab es noch die Kolonie Belgisch-Kongo. Es war die zweite Tim-Geschichte überhaupt, die erste stammt von 1929: »Tim im Lande der Sowjets«, die in ihrem plakativen, primitiven Antikommunismus fast schon surreal wirkt.

Gegen »Tim im Kongo« gab es in Belgien zwei Klagen wegen Rassismus, die Geschichte wurde dreimal nachbearbeitet, aber noch immer verbreitet sie »reaktionäre Projektionen«, schreibt Andreas Eikenroth in der neuen Ausgabe der Melodie & Rhythmus, die – wie die Rosa-Luxemburg-Konferenz dieser Zeitung am 13. Januar – den Schwerpunkt »Afrika« hat.

Darin gibt es einen bemerkenswerten Text von Arnold Schölzel über den senegalesischen Historiker und Chemiker Cheikh Anta Diob, dessen Buch »Nations nègres et culture« (Schwarze Nationen und Kultur) 1955 in Frankreich großes Aufsehen erregte, weil er darin die ägyptische Kultur als Vorläufer der Antike schilderte – als eine Kultur von schwarzen Menschen. Gegen diese These läuft hierzulande die Ägyptologie, für Schölzel »seit ihrem Entstehen mit der Entzifferung der Hieroglyphen 1822 bis heute ein Quell ›wissenschaftlich‹ begründeten Rassismus«, konstant Sturm, weil sie »die Ägypter zu Weißen« machen möchte. Für den Kameruner Philosophen Achille Mbembe, der auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz einen Vortrag halten wird, wollte Diop »die universalistischen Ansprüche des westlichen Humanismus entmystifizieren und die Grundlagen für ein Wissen legen, das seine Kategorien und Konzepte aus der Geschichte Afrikas schöpft«, schreibt Mbembe in seinem Buch »Politik der Feindschaft«.

Solche verleugneten Transferbeziehungen betreffen auch die geraubte afri­kanische Kunst, die bekanntlich Max Ernst, Pablo Picasso oder Paul Klee stark beeinflusste und die noch immer in den zu Kolonialzeiten angelegten europäischen Museen ausgestellt wird. In seinen »Randbemerkungen« zum geplanten Umzug der »Ethnologischen Sammlung« von Dahlem nach Berlin-Mitte in das neugebaute Humboldt-Forum, schreibt Thomas Koppenhagen: »Die Kolonialmächte haben nicht nur die Kulturen Afrikas auf dem Gewissen. Wie die klassische Moderne zeigt, ging die Ausbeutung tiefer: Wir haben sie uns einverleibt. Das Fremde, das Andere, von dem wir uns distanzieren wollen, in dem wir es in Ethnologischen Museen abstellen, ist längst schon wir selbst. Wir sind es.«

Die ökonomischen Bedingungen hierfür bleiben terroristisch. Für den nigerianischen Dichter und Umweltaktivisten Nnimmo Bassey hat das Nigerdelta mit seinen Ölvorkommen »wie keine andere Region des Landes eine so lange und unmenschliche Aggression erleiden müssen«. Der südafrikanische Soziologe Faisal Garba bilanziert allgemein: »Überall auf dem Kontinent hält das imperialistische Kapital die Löhne niedrig (…). Es betrachtet Afrika vielmehr als ein Reservoir, aus dem man unbegrenzt Superprofite schlagen kann«. Gleichzeitig sieht Garba, aber den »antiimperialistischen Panafrikanismus (…) wieder auf dem Vormarsch.« Der senegalesische Germanist Maguèye Kassé erinnert an den linken Schriftsteller und Filmemacher Ousmane Sembène aus Dakar, weil dessen Werk – »universal im Goetheschen Sinne« – nicht »nationale Autarkie« propagiere, sondern einen »Brückenschlag« der Stile und Kulturen. In einem schönen Text erklärt Gerd Schumann, wie der Reggae von Jamaika nach Simbabwe gekommen ist: Die Guerilla hörte im Untergrund Bob Marley genauso wie den Befreiungsrock von Thomas Mapfumo. Beide sangen im April 1980 gemeinsam im Stadion von Harare, das damals noch Salisbury hieß. Draußen stand die Guerilla. Hinten im Heft von Melodie & Rhythmus schreibt der Musikwissenschaftler Hanns-Werner Heister zum Thema: »Revolution! Gern, aber welche und wie?«

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