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Durchgreifen in Mali

Internationaler Strafgerichtshof fahndet nach Islamisten. Unterdrückte Opposition bei antikolonialer Rhetorik

Es könnte den Militärregierungen der sich von Frankreich abgewendeten Sahelstaaten wie ein Ritterschlag, ein weiteres Zeichen der Legitimität ihres Kampfes gegen den örtlichen Dschihadismus erscheinen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat den Strafbefehl gegen den Anführer der Al-Qaida nahestehenden, besonders in Mali aktiven, islamistischen Gruppe Ansar Dine, Iyad Ag Ghali, um weitere Anklagen erweitert. Dies geht auf Ermittlungen zu den Geschehnissen 2012 und Anfang 2013 des bis heute andauernden Aufstands islamistischer Gruppen gegen Malis Regierung zurück. Ag Ghali soll damals, neben dem Mord an Kriegsgefangenen und Angriffen auf religiöse Gebäude, besonders auch geschlechtsspezifische Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit zu verantworten haben, genauer Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und die Verfolgung von Frauen und Mädchen.

Damals hatten die Tuareg mit der säkularen Nationalen Befreiungsbewegung des Azawad (MNLA) große Teile des Nordens von Mali unter ihre Kontrolle gebracht und den von den Tuareg lange erhofften Nationalstaat Azawad ausgerufen. Ag Ghali war Mitbegründer der MNLA-Vorläuferorganisation und hatte sich während den Tuareg-Aufständen der 1980er und 90er Jahre international einen Namen gemacht. Nach einem Waffenstillstand im Jahr 1996 wurde er sogar als Botschafter nach Saudi-Arabien geschickt. Dort mauserte er sich zum fundamentalen Islamisten. Innerhalb der MNLA konnte er keine befriedigende Machtposition finden und gründete daraufhin die islamistische Ansar Dine. Kurz nach der Ausrufung Azawads vertrieben die Islamisten die säkulare MNLA von der Macht in dem Faststaat, woraufhin die Franzosen ein Zuhause vermittelbares Motiv hatten, um sich von den damals frisch an die Macht geputschten Generälen einladen zu lassen, die Dschihadisten zurückzudrängen.

Die Ankündigung des Strafbefehls gegen Ag Ghali am Freitag kam passend, bevor am Mittwoch das Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ein anderes Mitglied Ansar Dines erwartet wird. Al-Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohammed Ag Mahmoud sitzt seit März 2018 in Den Haag ein und muss sich als Chef der von Ansar Dine und den Verbündeten Dschihadisten der »Al-Qaida im Islamischen Maghreb« eingesetzten Moralpolizei in Timbuktu für Zwangsheirat und sexuelle Sklaverei verantworten.

Die aktuelle malische Regierung unter dem Putschistenführer Assimi Goïta reagierte eher kritisch auf die Ankündigung des Gerichts. Das Staatenbündnis Allianz der Sahelstaaten (AES), dem neben Mali auch Burkina Faso und Niger angehören, fragte in einer auf der Plattform X veröffentlichten Stellungnahme nach den »wirklichen Beweggründen« für die Entscheidung des Gerichts zu gerade diesem Zeitpunkt. Die Festnahme des Terroristen sei »wegen der Intensivierung der militärischen Aktivität der Armeen« nur noch »eine Frage der Zeit«. Laut der AES verfüge Ag Ghali über »kompromittierende Geheimnisse über seine Unterstützer in Staaten und internationalen Organisationen«, weshalb sein Schweigen »für die Wahrung dieser Interessen von entscheidender Bedeutung« wäre.

Der implizite Vorwurf, dass internationale Institutionen im Interesse des Westens arbeiteten, ist nichts Neues von seiten der malischen Regierung. Sie hatte nicht nur die französische Opération Barkhane und die Ausbildungsmissionen der EU, sondern auch die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) aus dem Land geworfen.

Es bleibt die Frage, wie lange sich die Bevölkerung Malis noch mit der antikolonialen Rhetorik abspeisen lässt, während ihr das demokratische Recht auf überfällige Wahlen und politische Organisation verwehrt wird. Nachdem ein breites Bündnis am 31. März zu Wahlen aufgerufen hatte, hatte Goïta im April jegliche politische Organisation verboten. Wie AES Infos am 21. Juni via X berichtete, wurden verschiedene ranghohe Oppositionelle aus den Unterzeichnerorganisationen des Aufrufs festgenommen. Sie hätten sich innerhalb ihres Bündnisses »31. März« getroffen, um die Gesellschaft gegen die Übergangsregierung und für eine Rückkehr zur Verfassung zu mobilisieren.

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