75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Montag, 1. Juli 2024, Nr. 150
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Leserbrief verfassen

Betr.: Artikel Beredtes Schweigen

Artikel »Beredtes Schweigen« einblenden / ausblenden

Beredtes Schweigen

Angriffe auf Krim und in Dagestan

Dass es bis zum Dienstag keine offizielle Reaktion der russischen Führung auf die Anschlagserie in Dagestan gegeben hat und offenbar auch ­keine größere Stellungnahme geben soll, ist erklärlich. Zum einen hat das offizielle Moskau anscheinend beschlossen, den Angriff auf einen Badestrand in Sewastopol vom Sonntag, bei dem durch die Explosion einer aus den USA gelieferten ATACMS-Rakete mindestens vier Menschen getötet und 153 verletzt wurden, zur größeren Nachricht zu machen. Die US-Botschafterin in Moskau wurde ins Außenministerium einbestellt und bekam »Vergeltungsmaßnahmen« angedroht. Das ist die Hauptfront.

Auch wenn in Dagestan mehr Menschen ums Leben gekommen sind, ist dies für das offizielle Russland erkennbar ein Nebenkriegsschauplatz. Selbst ein für lautstarke großrussische Sprüche bekannter Politiker wie Dmitri Rogosin hat diesmal davon abgeraten, die Ukraine für die Anschläge verantwortlich zu machen, wie es nach dem Angriff auf die »Crocus City Hall« im März sofort geschehen ist. Damit mache man es sich zu einfach, so Rogosin.

Zumindest liefert der Angriff auf den Badestrand Material für eine deutlich klarere Spur mindestens in die Ukraine, wenn nicht auch in die USA. Zwar ist nicht geklärt, ob die mit Kassettensprengköpfen geladene Rakete absichtlich über dem Strand explodieren sollte – wie es Russland darstellt – oder ob die Opfer unter den Badenden eine Nebenfolge ihres Abschusses waren – was zumindest Fragen an das eigene Militär aufwirft. Aber Raketen dieses Typs sollen maximal viele Menschen töten, nicht in erster Linie militärische Ziele ausschalten. Wer sie abfeuert, nimmt den Tod auch von Zivilisten in Kauf. Ist das Kiew zuzutrauen? Die Geschichte des Donbass seit 2014 gibt die Antwort.

Rogosin hat aber auch nach einer anderen Seite recht. Wenn drei der fünf oder sechs getöteten Terroristen in Dagestan Familienangehörige eines regionalen Verwaltungschefs waren, dann hat die russische Führung Anlass, sich um die Stabilität des Nordkaukasus sehr ernsthafte Gedanken zu machen. Denn dann dürfte es nicht in erster Linie das zweifellos bestehende soziale Elend in Dagestan gewesen sein, das die Attentäter zu ihren Taten inspiriert hat. Allzu laut auf den internationalen Islamismus zu zeigen, verbietet sich für Russland aber aus außenpolitischen Gründen. Saudi-Arabien ist BRICS-Partnerland, es ist als Standort eines künftigen Ukraine-Friedensgipfels unter Beteiligung Russlands im Gespräch, es ist außerdem ein in Russland geschätzter Partner im internationalen Ölhandel; die Türkei wiederum, wo sich alle möglichen islamistischen Zellen herumtreiben und wo die Moskauer Attentäter angeblich angeworben und ausgebildet wurden, ist ein Großabnehmer russischen Gases, auch für den Weiterverkauf nach Südost- und Zentraleuropa. Auch ihr gegenüber kann sich Russland nicht erlauben, politisch auf die Pauke zu hauen.

Leserbriefe müssen redaktionell freigeschaltet werden, bevor sie auf jungewelt.de erscheinen. Bitte beachten Sie, dass wir die Leserbriefe Montags bis Freitags zwischen 10 und 18 Uhr betreuen, es kann also einige Stunden dauern, bis Ihr Leserbrief freigeschaltet wird.

Sie erklären sich damit einverstanden, dass wir dessen Inhalt ggfls. gekürzt in der gedruckten bzw. Online-Ausgabe der Tageszeitung junge Welt und in sog. sozialen Netzwerken wiedergeben können. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Die junge Welt behält sich Kürzung Ihres Leserbriefs vor.

Bitte beachten Sie unsere Netiquette (einblenden / ausblenden)

Netiquette

Liebe Leserin, lieber Leser,

bitte beachten Sie die folgenden Hinweise für Ihre Beiträge zur Debatte.

Ihr Leserbrief sollte sich auf das Thema des Artikels beziehen. Veröffentlicht wird Ihr Beitrag unter Angabe Ihres Namens und Ihres Wohnortes. Nachname und Wohnort können abgekürzt werden. Bitte denken Sie daran, dass Ihr Text auch nach Jahren noch im Internet auffindbar sein wird. Wir behalten uns eine redaktionelle Prüfung vor, ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht.

Für uns und unsere Leser sind Ihre eigenen Argumente interessant. Texte anderer sollen hier nicht verwendet werden. Bitte bleiben Sie auch im Meinungsstreit höflich. Schmähungen oder Schimpfwörter, aggressive oder vulgäre Sprache haben hier keinen Platz. Denken Sie daran: »Auch der Haß gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge.« (Bertolt Brecht)

Äußerungen, die als diskriminierend, diffamierend oder rassistisch aufgefasst werden können, werden nicht toleriert. Hinweise auf kommerzielle Angebote jeder Art sind ausdrücklich nicht gewünscht. Bitte achten Sie auf die Orthografie und bitte nicht »schreien«: Beiträge, die in Großbuchstaben abgefasst wurden, werden von uns gelöscht.

Die Moderation bedeutet für unsere Redaktion einen zusätzlichen Aufwand: Leserbriefe zu älteren Artikeln sind deshalb nur befristet möglich. Außerdem kann es etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis die Redaktion Ihren Leserbrief bearbeiten kann, dafür bitten wir um Verständnis. Orthografische Änderungen durch die Moderation machen wir nicht kenntlich, Streichungen mit eckigen Klammern.

Viel Freude am Debattieren!