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Von wegen Gleichbehandlung
Jahresbericht: Rekordhoch bei Beratungsanfragen. Rassismus häufigstes Diskriminierungsmerkmal
Die Zahl von Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht. 10.772 Menschen haben sich 2023 an die Stelle gewandt, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Anstieg um 22 Prozent. Von den 10.772 Beratungsanträgen betrafen 8.303 mindestens ein im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschütztes Diskriminierungsmerkmal, in den meisten Fällen Rassismus.
Dieser äußere sich offener, direkter und härter, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, bei der Vorstellung in Berlin. »Eine ›Ausländer raus!‹-Stimmung und zunehmende Menschenverachtung beobachten wir nicht nur beim Feiern auf Sylt oder auf Volksfesten.« Migranten, Menschen mit Behinderung und queere Menschen erlebten sie ganz konkret in ihrem Alltag.
Dem Jahresbericht zufolge findet der größte Teil der geschilderten Diskriminierungserfahrungen im Arbeitsleben statt. Mit mehr als 2.600 Fällen betrifft dies ein Drittel aller Fälle. Der Lebensbereich »Private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern« macht mit mehr als 1.500 Anfragen den zweitgrößten Teil des Beratungsaufkommens aus. Rechnet man hier die 325 Anfragen zu diskriminierenden Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt hinzu, dann betrifft fast ein Viertel der Anfragen den privatrechtlichen Geschäftsverkehr (23 Prozent). Ämter und Behörden sowie Polizei und Justiz machen fast ein Fünftel aller Beratungsanfragen aus. So sahen sich mehr als 1.100 Betroffene von Ämtern und Behörden diskriminiert (14 Prozent) und mehr als 400 durch die Polizei und die Justiz (5 Prozent). Problematisch: Diesen Bereich umfasst der Diskriminierungsschutz im AGG nicht.
Auf eine Million Einwohner käme nur eine Beraterin in Vollzeit, sagte Ataman während der Pressekonferenz. Zudem gebe es einige Graubereiche des AGG, beispielsweise bei Diskriminierung während eines Arztbesuchs. Nach Rassismus (41 Prozent) seien Menschen, die wegen einer Behinderung diskriminiert werden, am zweithäufigsten betroffen (25 Prozent). Darauf folgt das »Merkmal Geschlecht« (24 Prozent) und »Altersdiskriminierung« (14 Prozent).
»Die krasse Zunahme der Fälle bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist symptomatisch für eine gespaltene, deutsche Gesellschaft. Die AfD hetzt und auch die Ampel versucht, Menschen mit Migrationsgeschichte als Sündenböcke darzustellen«, sagte Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik und Strategien gegen rechts der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus am Dienstag gegenüber junge Welt. Besorgniserregend sei auch die große Häufigkeit von antimuslimischem Rassismus, die durch die Politik begünstigt werde: »Menschen mit arabischen Wurzeln wird in Berlin und bundesweit pauschalisierend ein quasi angeborener Antisemitismus unterstellt, wenn sie für Frieden und gegen Besatzung in Palästina auf die Straße gehen«.
Auch die politische Betätigung von Kurdinnen und Kurden werde kriminalisiert; antikurdischer Rassismus sei sowohl durch türkische Faschisten als auch durch deutsche Behörden zum Erhalt der guten Beziehungen mit der rechten Regierung in der Türkei alltäglich. »Vor allem Rassismus gegen Geflüchtete wird fast quer durch die politische Bank durchgezogen, weil es so super in die politische Agenda passt«, kritisierte Koçak.