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Das »Agrarpaket« der Ampel

Kabinett mit Gesetzesplänen für Entlastung. Diskussion auf Bauerntag. Landwirteorganisationen uneins

Das hat sie prächtig hinbekommen: die Ampel. Ein paar Leckerlis namens »Agrarpaket« für aufmüpfige Bauern. Passgenau einen Tag vor Auftakt des Deutschen Bauerntags am Mittwoch in Cottbus. Was bietet die Koalition an? Dreierlei: eine zusätzliche Förderung der Weidehaltung auf Grünland, eine Stärkung von Bauern innerhalb der Wertschöpfungskette und nicht zuletzt eine sogenannte steuerliche Gewinnglättung bzw. Tarifermäßigung bei Einkünften. Damit können Landwirte etwa Gewinnschwankungen wegen geringerer Ernteerträge steuerlich verrechnen. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) meinte am Dienstag nachmittag: Was die Koalition geschnürt habe, sei ein starkes Paket, »das Landwirte nicht nur entlastet, sondern im Markt stärkt«. Letzteres soll mittels Novelle des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG) passieren.

Richtig ist, die Bundesregierung war nach monatelangen Bauernprotesten während des Winters unter Zugzwang. Musste sich bewegen. Der Protestauslöser: die schrittweise Abschaffung der Agrardieselbeihilfe für Land- und Forstwirte. Ein Spritzuschuss für Trecker, Mähdrescher und Co. im Volumen von zirka 440 Millionen Euro fällt weg. Die Ampelfraktionen sicherten der Bauernschaft etwa für das Ende der Kfz-Steuervergünstigung einen Ausgleich zu.

Der Deutschen Bauernverband (DBV) zeigte sich nun enttäuscht. Dessen Präsident Joachim Rukwied sprach am Dienstag abend von »einem Päckchen«. Substantielle Entlastungen sähen anders aus. »Wir müssen feststellen, dass wir noch immer Lichtjahre von einer echten Kompensation der Belastungen und Steuererhöhungen der zurückliegenden Monate entfernt sind«, so Rukwied weiter. Und CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann wurde metaphorisch, sprach von einem winzigen Pflaster auf einer viel zu großen Wunde. Das stimmt, zumal Landwirte mit der Gewinnglättung jährlich nur rund 50 Millionen Euro Steuern sparen könnten, schätzt selbst das Bundesfinanzministerium.

Was fehlt hingegen? Einiges. Beispielsweise ein Moratorium von Umweltauflagen, eine Steuervergünstigung für Biokraftstoffe, eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage sowie der Wegfall der Stoffstrombilanz, also die Statistik über die Nährstoffeffizienz der landwirtschaftlichen Produktion eines Betriebes, berichtete gleichentags das Fachportal Agrar heute.

Reinhard Jung ärgert noch mehr: Nach dem bäuerlichen Aufruhr hätten die Protestierer eine Zusage der Christdemokraten im Bundestag gehabt, »die Zustimmung zum Wachstumschancengesetz im Bundesrat an den Erhalt des Agrardiesels zu koppeln«, sagte der Referent für Politik und Medien der Freien Bauern Deutschland am Mittwoch im jW-Gespräch. Ja, bis der DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken Anfang März via Interview mit Welt am Sonntag »Kompromissbereitschaft« signalisierte. Man werde nicht auf den vollen Erhalt des Agrardiesels bestehen. Es müsse dafür an anderer Stelle Gegenleistungen für Landwirte geben. Jung empört: »Irgendwelche Gegenleistungen! Mir tut jeder Berufskollege leid, der noch glaubt, mit dem DBV ließe sich bäuerliche Interessenvertretung machen.«

Besser gestimmt ist Ottmar Ilchmann, Sprecher für Agrarpolitik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Das Agrarpaket der Ampel sei eine »guten Nachricht«. Als nächster Schritt müsse eine Weideprämie für Bauern kommen, praxistauglich und wirtschaftlich attraktiv. Der Verlust an biologischer Vielfalt werde damit aber nicht kompensiert, beklagte wiederum die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Mittwoch beim Bauerntag in Cottbus. Und überhaupt: »Womit sind Agrarsubventionen auf Dauer zu rechtfertigen, wenn die Agrarlobby wirksame Umwelt- und Tierschutzregeln ablehnt?«

Wie geht es weiter? Das Kabinett will seine Gesetzespläne am Freitag im Bundestag einbringen und in der nächsten Woche verabschieden. Fraglich, ob das aufmüpfige Bauern besänftigt.

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