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Täter-Opfer-Umkehr. Julian Assange in den Medien
Julian Assange ist frei. Es ist die Weltnachricht der Woche, die Hoffnung macht. Widerstand ist möglich, mit Beharrlichkeit und geeint kann er zum Erfolg führen. Der Journalist und Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, dem nach der Enthüllung von Kriegsverbrechen der USA und anderer NATO-Staaten 14 Jahre seiner Freiheit geraubt wurden, war am Mittwoch noch nicht im australischen Canberra gelandet, da feuerten die ersten journalistischen Heckenschützen hierzulande schon wieder ihre Salven ab. Diffamieren, diskreditieren, delegitimieren ist ihr Geschäft.
Julian Assange war ein »düsterer Charismatiker«, wissen Andrian Kreye, Georg Mascolo und Michael Neudecker von der SZ. Die Unterstützer der unzähligen Free-Assange-Initiativen sind eine »Gemeinde«, »Anhänger«, die »immer von überallher« anreisen, »viele auch aus Deutschland«. Für den »Whistleblower und Weltenretter«. Fehlt nur noch »selbsternannt«. Edelfeder Kreye würdigt im selben Blatt den »Pionier des Journalismus«, nur um ihm dann den vollen Giftbecher zu reichen: »Nun war Assange immer eine kontroverse Figur, ein Egomane und Radikaler«, dessen Praxis »von einem Fundamentalismus geprägt, der oft mehr Schaden anrichtete als Aufklärung brachte, egal, ob er Geheimdienstquellen gefährdete, Wikileaks wahrscheinlich vom russischen Geheimdienst instrumentalisieren ließ oder Donald Trumps Wahlsieg beförderte«.
Die ZDF-Kindernachrichten »logo!« machen auf ihre Weise mit: »Bekannter Häftling ist wieder frei« – »Der Vorwurf: Spionage!«. »Im Internet zeigte er geheime Dokumente über Kriege und das amerikanische Militär. Die USA warfen ihm deshalb Spionage vor und wollten ihn hart bestrafen. Sieben Jahre lang versteckte er sich vor einer Verhaftung in der Botschaft des Landes Ecuador in London, wo die Polizei nicht rein durfte.«
Dass sich Julian Assange in der CIA-dauerüberwachten Botschaft Ecuadors in London »versteckt« hätte, lügen auch die SZ oder Die Zeit den Erwachsenen vor. In der Hamburger Wochenzeitung ist der zwischenzeitliche Weggefährte Daniel Domscheit-Berg einmal mehr Kronzeuge wider Assange, der »immer weiter in eine Sackgasse« geraten sei und journalistische »Mindeststandards« nicht erfüllt habe. Gut dann wohl, »dass wir uns nichts mehr zu sagen haben«. Der Tagesspiegel bedient »logo!«-like die US-Anklage und erklärt Assange zum »Hauptakteur« in einem »riesigen Spionagefall«. Anderenorts ist von einer »langen Odyssee« die Rede, als wäre Assange nicht von den USA ohne jede Gnade gejagt und in Belmarsh, dem übelsten Gefängnis des Vereinigten Königreichs, jahrelang gefoltert, sondern durch widrige Winde verschlagen worden.
Im SPD-Frontblatt Frankfurter Rundschau macht Peter Rutkowski gegen den Kriegskritiker mobil und gemahnt: »Vergesst Wikileaks!«. Was hat der Autor am Main nicht gelitten: »Jahrelang musste man ertragen, dass eine Generation von ›Medienarbeitenden‹ Julian Assange als Jesus-Figur des digitalen Zeitalters und als Märtyrer des Journalismus und/oder der Meinungsfreiheit verehrte. Wohlgemerkt, sie äußerten diese Meinung so frei wie ihr Idol das getan hat – prinzipiell auf das Gefühl gestützt, es gebe Gut und Böse, und das Böse sei immer im Westen. Meinung ohne Ahnung ist halt billig. Insofern bleibt Assange allen Dauererregten auch ein leuchtendes Vorbild. Aber zumindest über die absurd langen Jahre in Unfreiheit ist offensichtlich ihm wie seinem Umfeld eine Ahnung davon erwachsen, wie sehr man sich verrennen, sich sogar selbst langsam vernichten kann, wenn man auf einem Freund-Feind-Schema beharrt.« Julian Assange hat sich selbst vernichtet? Bei anderer Gelegenheit heißt so was Täter-Opfer-Umkehr.