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»Ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten«
Gebäudereinigerhandwerk: Bosse machen Riesengewinne, lehnen Lohnerhöhungen aber als »maßlos« ab. Ein Gespräch mit Ulrike Laux
Die erste Verhandlungsrunde der aktuellen Tarifauseinandersetzung im Gebäudereinigerhandwerk verlief ergebnislos. Weshalb muss nun weiter verhandelt werden?
Wir haben in der ersten Runde unsere Forderungen eingebracht und festgestellt, dass wir sehr weit auseinanderliegen. Die Chefs erklärten, dass sie unsere Forderungen maßlos und realitätsfern finden und daher gegenwärtig nicht in der Lage seien, darauf zu antworten. Im Moment sei ihnen nicht klar, wie sie zu einer Einigung kommen könnten. Der nächste Verhandlungstermin ist nun der 11. September.
Wie lauten Ihre Forderungen, zu denen sich die Bosse scheinbar nicht äußern können?
Wir haben den Fokus auf die Entgelterhöhung gesetzt. Aufgrund der Inflationsraten in den letzten Jahren und vor allem der gestiegenen Nahrungsmittel- und Energie- und Mietpreise, brauchen die Beschäftigten deutlich mehr Einkommen, als in den vergangenen Jahren ausgehandelt wurde. Da unsere Ausgangsbasis sehr gering ist, arbeiten wir auch nicht mit prozentualen Erhöhungen. 2022 haben wir von zwölf Euro auf 13,50 Euro verhandelt. Das ist heute viel zuwenig. Unsere Kollegen haben sehr deutlich gesagt, wir müssen höher. Daher fordern wir für die unterste Lohngruppe 16,50 Euro. Damit die Spanne innerhalb der Lohntabelle nicht noch weiter auseinandergeht, fordern wir für alle Lohngruppen drei Euro mehr. Für Gewerkschaftsmitglieder fordern wir ein 13. Monatseinkommen, da unsere Mitglieder sich stark für die Branche und deren Anerkennung einsetzen. Mit Blick auf jüngere Menschen fordern wir auch eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung.
Welchen Veränderungen unterlag die Branche in den vergangenen Jahren?
In den letzten zehn Jahren – das sehen wir an den Zahlen – hat sich der Umsatz um 86 Prozent erhöht, während die Beschäftigtenzahlen auf dem gleichen Niveau blieben. In der Pandemiezeit waren das zwischenzeitlich fast 700.000 Beschäftigte, gegenwärtig sind es wieder um die 660.000. Nach der Pandemie hat sich der Umsatz allein von 2022 auf 2023 um zwei Milliarden Euro erhöht. Mittlerweile liegt der Umsatz bei über 26 Milliarden in der Branche, der von den 660.000 Mitarbeitern erwirtschaftet wird. In dieser Zeit sind jedoch die Einkommen lediglich um 3,9 Prozent gestiegen. Auch die Struktur der Beschäftigten hat sich kaum verändert. Was sich geändert hat, ist die Technik der Reinigung. Die ist sehr professionell und wird von den Reinigungskräften ausgeführt.
Was sagen Sie angesichts dieser Umsatzsteigerung zu der Äußerung, man könne keine höheren Löhne zahlen?
Es ist keine Wertschätzung der Leistung. Im Gegenteil, es ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten. Die Begründung in der Verhandlung war auch, dass die Kunden nicht bereit seien, soviel zu zahlen, oder dass diese Reinigung nicht mehr so viel wert sei wie in der Pandemiezeit. Wir haben von den Kunden allerdings andere Eindrücke bekommen. Diese legen in der Mehrzahl viel Wert auf Sauberkeit und Hygiene. Dieses Argument gegen Lohnsteigerungen passt also nicht. Vor allem, da in den Unternehmen Geld zum Verteilen da ist.
Sind Lohndumping und Prekarisierung noch Veränderungen durch die »Agenda 2010« der Schröder-Regierung?
Das war bereits vorher auch schon so. Dienstleistung ist immer wenig wert gewesen. Neben großen Firmen hat vor allem auch die öffentliche Hand an Reinigung gespart. Diese war angehalten, so günstig wie möglich putzen zu lassen. Damals erstritten wir die Branchenmindestlöhne, die eine Allgemeinverbindlichkeit sicherten und den Wettbewerb einigermaßen ausglichen.
Nun geht es darum, vor allem bei den untersten Lohngruppen mehr herauszuholen, um mit anderen Branchen nachzuziehen und Fachkräfte damit zu werben. Andernfalls bleiben Beschäftigte nicht in der Reinigung, sondern suchen sich Alternativen. Dazu kommt, dass viele Beschäftigte trotz Arbeit in Vollzeit aufstocken und Mietzuschüsse in Anspruch nehmen müssen. Im Alter werden viele in der Altersarmut landen, selbst wenn sie 45 Jahre gearbeitet haben. Mit den niedrigen Löhnen in Tarifverträgen werden die Gewinne privatisiert, und die Kosten trägt die Allgemeinheit. Unsere Mitglieder waren entrüstet, dass die Arbeitgeber nur von den Kunden geredet haben.