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Alternative für Orbán

Konflikte vorläufig stillgelegt: AfD-Bundesparteitag ohne große Auseinandersetzungen. Außenpolitische Linie konkretisiert

Dass das im Vorfeld von einigen Medien angekündigte Hauen und Stechen beim AfD-Bundesparteitag am Wochenende ausgeblieben ist, reicht der Partei schon, um die Veranstaltung zu einem vollen Erfolg zu erklären. Dabei sagt der Kontrast zwischen Ereignis und Erwartung erst einmal gar nichts über die Partei aus, sondern nur über bestimmte spekulative Tendenzen in der Diskussion und Berichterstattung über die AfD – die sich freilich blamieren, wenn etwa der angeblich vor dem »Sturz« stehende Koparteichef Chrupalla mit über 80 Prozent Stimmen wiedergewählt wird.

Der Parteitag in Essen hat gezeigt, dass die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der AfD nicht beendet, wohl aber vorläufig stillgelegt sind. Obwohl die Umfragewerte der Partei zuletzt konstant abgebröckelt waren und der Wahlkampf schlecht lief, blieben in Essen Versuche aus, dieses Material für innerparteiliche Abrechnungen auszuwerten. Bei der rasch durchgezogenen Neuwahl des 14köpfigen Bundesvorstandes, dem Weidel als einzige Frau angehört, wurden alle wesentlichen Strömungen berücksichtigt.

Personell liegt weiter ein leichtes Übergewicht bei der Richtung, der es in erster Linie darum geht, die Partei nach innen und außen zu »normalisieren«. Gleichwohl rief Chrupalla den Delegierten zu, man strebe keine »Melonisierung« an. Der Name der italienischen Regierungschefin ist auch in der AfD inzwischen als Gattungsbegriff für eine Richtung der europäischen Rechten eingeführt, die sich explizit »transatlantisch« aufstellt. In diese Richtung arbeiten in der AfD nur noch wenige offen, zum Beispiel der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter.

Ob sich die Koexistenz der auf »Normalisierung« und »Regierungsfähigkeit« bedachten Richtung mit der Mehrheitsströmung in den ostdeutschen Landesverbänden stabilisieren wird, bleibt abzuwarten. In Essen wirkte sich die Nähe der drei ostdeutschen Landtagswahlen zweifellos pazifizierend aus. Der Thüringer Landeschef Höcke war zudem auch bei diesem Parteitag kaum sichtbar. Eine von ihm vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesschiedsgericht unterlag knapp. Bei seinem zweiten Auftritt bemühte er sich demonstrativ um Einordnung ins große Ganze, als er vorschlug, die beiden Anträge zur Außenpolitik zusammen abzustimmen.

Diese beiden Anträge sind die politisch bedeutenderen Beschlüsse dieses Parteitages (siehe Spalte). Insbesondere der von Höcke, dem sächsischen Landesvorsitzenden Jörg Urban und dem Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland vorgelegte Antrag »Für ein Europa des Friedens« macht erneut deutlich, dass vor allem die ostdeutschen Landesverbände beharrlich versuchen, sich im Mantel der »Friedenspartei« zu präsentieren. Daraus ergibt sich die bislang nur sehr unzureichend bewältigte Aufgabe für linke Gegner dieser Partei, insbesondere vor den Wählern in Ostdeutschland überzeugend darzulegen, dass die AfD mitnichten für Friedenspolitik steht.

Hinsichtlich der Frage der internationalen Affiliation hängt die AfD nach dem Parteitag vorerst weiter in der Luft. Der nun verkündete Austritt aus dem ID-Zusammenschluss war nur noch Formsache; Antworten, wie es nun weitergeht, blieben aus. Zur Entscheidung steht im Grunde, ob die Partei mit kleineren Partnern etwa aus Polen, der Slowakei, Griechenland und Spanien einen von ihr dominierten Zusammenschluss und eine entsprechende Fraktion im Europaparlament aufmacht oder ob sie anstrebt, sich dem am Wochenende aus der Taufe gehobenen Bündnis »Patrioten für Europa« von FPÖ, Fidesz und ANO anzuschließen.

Charakteristisch für die Lage der AfD ist, dass die Partei das gar nicht selbst in der Hand hat. »Auch wenn die AfD zu diesem Zeitpunkt noch nicht in eine gemeinsame Fraktion mit Fidesz gehen kann, eröffnet das für die AfD neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien«, sagte ein Sprecher von Weidel am Montag gegenüber dpa. Man würde also gerne bei Orbán mitmachen, darf aber nicht. Vermutet wird im AfD-Bundesvorstand, dass die Bundesregierung in dieser Sache Druck auf den ungarischen Regierungschef ausübt.

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