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Ende der »Macronie«

Parlamentswahlen: Le-Pen-Partei schielt auf absolute Mehrheit. Linke Volksfront zweitstärkste Kraft

Frankreichs extreme Rechte könnte in einer Woche eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen und den nächsten Ministerpräsidenten stellen. Nach dem ersten Durchgang der vorgezogenen Wahl zur Nationalversammlung lag der Rassemblement National (RN) am Sonntag in 297 von 577 Wahlkreisen vorn. 35 Kandidaten der von Marine Le Pen und ihrem politischen Ziehsohn und Parteichef Jordan Bardella angeführte Rechtsunion wurden mit mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen in ihren Wahlkreisen bereits direkt gewählt. Die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreicht eine Partei mit 289 Sitzen. Landesweit kam der RN auf 33,1 Prozent. Der kürzlich gegründete linke Zusammenschluss Nouveau Front Populaire (NFP) erreichte 28 Prozent. Der bürgerliche Block Ensemble, Wahlverein des Präsidenten Emmanuel Macron, kam erwartungsgemäß nicht über 20 Prozent.

Nach dem desaströsen Ergebnis für Macron bei den EU-Wahlen am 9. Juni hatte der Staatschef kurzerhand das Parlament aufgelöst, um die rund fünf Millionen Wahlberechtigten zu einer »unabdingbaren Klärung« der politischen Situation im Land zu zwingen. Dieser Plan ist nicht für den Präsidenten, wohl aber für den ultrarechten RN aufgegangen. Das französische Wahlvolk bestätigte Macrons krachende Niederlage bei den EU-Wahlen. Die von ihm erhoffte »Vereinigung der republikanischen Kräfte« gegen die »Extremisten von rechts und links« blieb am Sonntag aus.

Obwohl Macron den Sozialdemokraten (PS), Kommunisten (PCF), der linken Partei La France Insoumise (LFI) und den Ökologen (EE-LV) wohl absichtlich nur drei Wochen Zeit gelassen hatte, sich nach der überraschenden Auflösung des Parlaments zu formieren, gelang zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg die Konstituierung einer linken Volksfront. Französische Medien konstatierten am Sonntag abend unisono das »Ende der Macronie« – das Scheitern der von wirtschaftsliberaler Ideologie und einsamen Entscheidungen geprägten Herrschaft Macrons im Präsidentenpalast Élysée.

Überraschend kam am Abend die Entscheidung der neuen Volksfront, beim zweiten Wahldurchgang am kommenden Sonntag ihre Kandidaten in den Wahlkreisen zurückzuziehen, in denen Vertreter anderer Parteien besser plaziert wären und denen gegenüber den Bewerbern des RN höhere Gewinnchancen eingeräumt würden. Dies gelte selbst für Politiker der Präsidentenpartei Ensemble. Die drohende absolute Parlamentsmehrheit der extremen Rechten gelte es »auf jeden Fall zu verhindern«, erklärte LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon am Sonntag vor Anhängern und Journalisten. Die extreme Rechte, aber auch Macrons Wahlverein sowie die bürgerlich-konservativen Republikaner Les Républicains (LR) hatten Mélenchon während des kurzen Wahlkampfs als teuflischen Anführer einer »extremen Linken« gebrandmarkt, der das Land als Regierungschef in gesellschaftliches und wirtschaftliches Chaos stürzen ­werde.

Statt dessen droht nun allerdings die Wahl des erst 28 Jahre jungen Rechtsaußen Jordan Bardella zum neuen Ministerpräsidenten und Nachfolger des amtierenden Regierungschefs Gabriel Attal, einem 35 Jahre alten Zögling Macrons, der erst seit fünf Monaten im Amt ist. Hinter sich weiß Bardella nicht nur die Anhänger seiner eigenen Bewegung, deren Wurzeln bis zu ­Marine Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen zurückreichen – Faschist, Folterer im Algerienkrieg und Muslimhasser. Hinter ihm versammelt hat sich auch ein großer Teil der katholisch-bürgerlichen Republikaner, deren Chef Éric Ciotti direkt nach der verlorenen EU-Wahl eine rechte Allianz mit dem RN geschmiedet hat. Ihr Stimmenanteil, vier Prozent, könnte in der kommenden Woche für entscheidende Sitze in der Nationalversammlung reichen.

Die politische Landkarte zeigte am Montag nach dem ersten Wahldurchgang eine französische Republik, in deren Wahlkreisen die Farbe »braun« wie ein Tsunami nahezu alles überspült hat. »Rote« Hoffnung zeigten bisher nur einige Inseln – Teile der Hauptstadt Paris zum Beispiel –, auf die sich die linke Volksfront aus der rechten Woge retten konnte. Die Wahlbeteiligung, das zumindest gehörte zu den erfreulichen Meldungen, lag mit knapp 67 Prozent rund 20 Prozentpunkte höher als im Juni 2022.

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