75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 21. November 2024, Nr. 272
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
19.10.2018, 16:24:40 / jW stärken!

Was Maaßen sonst noch weiß

Von Dietmar Koschmieder
Maaßen

Volksverarschung gibt es nicht erst seit der AfD

Da sitzt er aber immer noch, und der Staat ist noch da, der so einen nicht ohne Grund auf diesen Platz gesetzt hat. Denn Hans-Georg Maaßen, auch heute noch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hat sich vielfach bewährt: Seit 1991 arbeitet der Jurist im Bundesinnenministerium, wird 2001 unter Schröder Referatsleiter für Ausländerrecht, sorgt 2002 dafür, dass der in Deutschland geborene Murat Kurnaz (der zu der Zeit seit Monaten unschuldig und ohne Prozess im US-Gefangenenlager Guantanamo festsitzt) nicht freigelassen wird.

Maaßen befindet, dass das Aufenthaltsrecht des Guantanamo-Häftlings in Deutschland verfallen sei, weil der nun ja schon mehr als sechs Monate außer Landes sei und sich auch nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet habe. Kurnaz kann erst 2006 das Foltergefängnis verlassen, weil ein Gericht anders befindet. Der Karriere von Maaßen schadet solcherlei Menschenverachtung keineswegs, im Gegenteil: Ab 2008 leitet er als Ministerialdirigent den Stab Terrorismusbekämpfung im Innenministerium, seit 2012 ist er Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, arbeitet intensiv mit US-amerikanischen Behörden wie der NSA zusammen, sorgt für den Einsatz der US-Spionagesoftware XKeyscore in Deutschland, baut eine Einheit zur Ausweitung der Internetüberwachung auf, wird dafür von Medien kritisiert, worauf er mit mehreren Strafanzeigen gegen Journalisten vorgeht.

Den Whistleblower Edward Snowden bezeichnet er als Verräter, mit seinem Wissen wird im Umfeld von Anis Amri, dem mutmaßlichen späteren Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, ein V-Mann plaziert – Maaßen belügt in diesem Zusammenhang das Parlament. Dagegen wirken die zuletzt bekanntgewordenen Verfehlungen eher harmlos: Nach Kontakten zur AfD und seinem Versuch, die menschenfeindliche Hetze in Chemnitz zu bagatellisieren, soll der Mann demnächst seinen Präsidentenposten abgeben. Einen derart qualifizierten Beamten feuert man freilich nicht einfach, so einer wird nach oben oder zur Seite gelobt. Hinzu kommt: Wer weiß, was Maaßen sonst noch weiß!

Der Fall Maaßen belegt eindrücklich, wie seit Jahren mit Dummheit, Lüge und Hass Politik gemacht wird, um Verhältnisse zu verschleiern – egal ob die Regierung sozialdemokratisch oder konservativ geführt wird. Das wird unter parlamentarischer Beteiligung von Kräften, die noch weiter rechts stehen, keineswegs besser werden. Eine vom Kapital unabhängige Tageszeitung, die darüber aufklärt, wer wie und in wessen Interesse handelt, wird deshalb dringend benötigt. Aber gerade so eine Tageszeitung braucht ausreichend Mittel, über die sie nur verfügen kann, wenn genügend Leserinnen und Leser bereit sind, ein Abonnement abzuschließen. Nur so kann sie ihre Arbeit fortsetzen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!