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06.01.2020, 15:27:06 / jW stärken!

»Im Gefängnis gibt es kein Internet«

In den deutschen Haftanstalten schreibt man noch Briefe. Auch Zeitungen werden gelesen. Denn das Netz ist dort nicht zugänglich. Ein Gespräch mit Sybill Knobloch
Von Johannes Supe

Frau Knobloch, haben Sie diese Woche schon Post bekommen?

Ja klar, Dutzende Briefe. Etwa 400 Mitteilungen von Gefangenen erhalten wir im Monat, also gut hundert in der Woche. Heute ist Freitag, Sie können sich also vorstellen, was bei uns angekommen ist.

Ihnen schreiben Gefängnisinsassen, die gern eine Zeitung bekommen möchten. Was bringen die zu Papier?

Das sind in der Regel kurze Briefe. Viele haben schon ganz konkrete Lesewünsche, hätten also gern eine bestimmte Zeitung. Auf irgendeine Weise haben sie mitbekommen, dass es unseren Verein gibt und dass er Freiabonnements in Haftanstalten vermittelt. So fangen dann auch die Briefe oft an: »Ich habe gehört, dass …« Doch einige schreiben uns auch mehr über sich, über ihre Haftsituation, wie es ihnen geht.

Liest man da auch heraus, warum den Menschen im Gefängnis die eigene Zeitung so wichtig ist?

Die meisten möchten wissen, was »draußen« vor sich geht. Die Zeitung ist für sie das Mittel, sich umfassend zu informieren. Nicht wenige sind auch in einem Lesezirkel und geben die Zeitung nach dem Lesen an andere Gefangene auf ihrer Station weiter. Dann ist ihnen die Zeitung besonders wichtig, und es darf bloß keine Unterbrechung im Versand geben. Das Zeitunglesen wird da zu einer richtigen sozialen Tätigkeit, denn es lesen ja noch viele andere mit.

Kommen Sie denn bei Hunderten Anfragen im Monat mit den kostenlosen Abonnements hinterher?

Nicht jeder Brief, der uns erreicht, ist auch eine Anfrage. Viele haben nach einem halben oder ganzen Jahr einen neuen Lesewunsch. Auch müssen sich die Leute bei uns regelmäßig melden. Denn in Haftanstalten gibt es stets große Fluktuationen, Gefangene werden verlegt, andere entlassen. All das bekommen wir per Post mit, Anrufe gibt es nur selten.
Aber natürlich kommen auch viele Neuanfragen bei uns an. Und einige müssen wir leider darauf verweisen, dass es längere Wartezeiten gibt. Im Durchschnitt können wir etwa 1.000 Lesewünsche nicht direkt erfüllen. Wie schnell es geht, hängt davon ab, in welchem Ausmaß bei uns Spenden ankommen. Auf einige Zeitungen und Magazine muss man sehr lange warten, weil für sie wenig gespendet wird – etwa für den Kicker.

Sie vermitteln an die 3.000 Publikationen in Haftanstalten. Ein Wert, den Sie seit etwa zehn Jahren halten. Erstaunlich, dass das Internet die Zeitungsbegeisterung nicht geschmälert hat.

Im Gefängnis gibt es kein Internet. Wie selbstverständlich gehen die meisten Menschen davon aus, dass das, was es »draußen« gibt, auch »drinnen« zur Verfügung steht. Doch dem ist nicht so. Und weil man sich Informationen nicht einfach aus dem Netz holen kann, lesen viele Menschen im Gefängnis mehr. Dort besteht eine Situation wie vor 20 oder 30 Jahren in der Bundesrepublik.

Warum verwehrt man den Inhaftierten den Zugang zum Netz?

Zunächst bestehen von seiten der Behörden Sicherheitsbedenken. Dort macht man sich auch Gedanken, wie man etwa mit Menschen umgehen soll, die wegen Delikten in Zusammenhang mit Kinderpornographie im Gefängnis sitzen. Dazu kommt noch, dass viele Gefängnisse sehr alt sind. Sie haben gar nicht die Ausstattung, um den Inhaftierten Zugang zum Netz zu gewähren. Dafür bräuchten sie zusätzliche Mittel, die oft nicht vorhanden sind.

Sind denn Veränderungen in Sicht?

Eindeutig. In den jüngeren Vollzugsgesetzen der Länder gibt es bereits Hinweise zu neuen Kommunikationsmitteln. Das Internet wird dort bereits mitgedacht, gesetzlich wird ihm in vielen Bundesländern der Weg bereitet. Wie lange es aber in der Praxis noch dauert, ist nicht abzusehen. Einmal als Vergleich: Das Fernsehen wurde in den 50ern zum Massenmedium. Bis aber jeder Gefangene problemlos einen Fernseher in seiner Zelle haben durfte, vergingen fast fünfzig Jahre. Noch 1995 – damals machten wir unsere erste Umfrage zum Mediengebrauch der Inhaftierten – schauten die meisten im Gemeinschaftsraum.

Im kommenden Jahr wollen Sie eine Fachtagung zum Thema veranstalten. Was soll dort besprochen werden?

Zunächst möchten wir auf die Situation aufmerksam machen, dass es im Gefängnis kein Internet gibt. Dann wollen wir aber verschiedene Fragestellungen diskutieren, die mit dessen Einführung verbunden wären. In den USA etwa gibt es bereits die Möglichkeit für Gefangene, E-Mails zu verschicken. Doch damit sind auch ganz andere Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten verbunden als bei der Verschickung von Briefen. Solche Aspekte interessieren uns. Denn aufzuhalten ist das Internet sicher nicht, die Welt draußen hat es ja innerhalb weniger Jahre völlig erobert.

Und dann wird ihr Briefkasten nicht mehr gefüllt sein und das Interesse an Zeitungen nachlassen?

Es wird sicher Veränderungen geben, und bestimmt werden auch weniger Zeitungen verlangt. Aber unsere Aufgabe ist ja die Informationsversorgung von Gefangenen. Dafür werden wir uns immer einsetzen, was es auch für Folgen haben mag.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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