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21.08.2020, 19:50:02 / jW stärken!

Angriffe gegen die junge Welt

Von Denis Gabriel
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Harte Arbeit im Schlachthof Hasenheide (Fürstenfeldbruck, 13.2.2019)

Die junge Welt gehört der Genossenschaft ihrer Leserinnen und Leser. Das macht sie widerstandsfähig gegenüber Drohgebärden aller Art, mit denen auf Inhalte der Zeitung Einfluss genommen werden soll. Vor allem mit juristischen Angriffen reagieren nicht selten Personen, Unternehmen, Parteien und Institutionen, wenn ihnen die jW-Berichterstattung missfällt. Irrtümlich halten viele die junge Welt für einen leichten Gegner, weil sie davon ausgehen, dass diese Zeitung weder organisatorisch noch materiell in der Lage ist, sich effektiv zu wehren.

Ein Irrtum, wie diese Woche die Firma Dennree GmbH, ein Großhändler für Biolebensmittel, erleben durfte. Ein Bericht in der jungen Welt über Schwierigkeiten bei der Betriebsratsarbeit wurde vom Biokonzern mit schärfstem juristischen Geschütz angegriffen. Nicht weniger als sieben Verfehlungen unterstellte die Firma der jungen Welt und bemühte Gerichte, weil die Zeitung nicht auf ihre Forderungen einging. Allerdings musste sich der Biohändler dann auch vom Gericht klare Worte gefallen lassen. Im Kontext des angegriffenen jW-Artikels werde ein »möglicher Widerspruch zwischen Außen- und Innendarstellung« bei Dennree deutlich. »Dieser wird in bezug auf ihre Betätigung am Markt als prosperierender Großhändler für Biolebensmittel beschrieben, der sich für ökologischen Landbau, das Tierwohl und eine intakte Natur einsetze. Im Gegensatz dazu aber verhalte er sich bei Mitbestimmungsrechten seiner Belegschaft nicht kooperativ und gewähre keine tarifliche Entlohnung …« Deshalb müsse es Dennree auch hinnehmen, dass anhand von Beispielen kritisch über den Konflikt berichtet werde, bemerkte das Kammergericht Berlin aufgrund einer Beschwerde von Dennree im Juni. Wie das Landgericht in den am Dienstag verhandelten noch strittigen Punkten entscheidet, wird am 6. Oktober 2020 feststehen.

Auch Fleischdealer attackieren gerne die junge Welt. So beschwerte sich Monate vor der Coronakrise der Großschlächter Tönnies Lebensmittel GmbH & Co KG bei der jungen Welt darüber, dass in einem Veranstaltungshinweis behauptet wurde: »Dort arbeiten mehr als 200 rumänische Kollegen in Subunternehmen unter schlimmsten Bedingungen«. Diese Darstellung sei falsch. Zum einen würden nur 50 bei Tönnies arbeiten, zum anderen fehle es an jeglicher Anknüpfungstatsache für die Behauptung, bei Tönnies werde unter schlimmsten Bedingungen gearbeitet. Die von Tönnies verlangte Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben. Heute weiß jeder, wie das Subunternehmergeschäft im Großschlachthof funktioniert und unter welch miesen Bedingungen die Kollegen dort tatsächlich arbeiten müssen.

Selbst viele Jahre nach einer Veröffentlichung wird die junge Welt noch für unliebsame Berichterstattung angegriffen. Die ehemalige Direktorin der Berliner Bank für kleine und mittlere Unternehmen unterstellte einem mittlerweile vor 18 Jahren erschienenen Beitrag in der jungen Welt gleich eine ganze Latte von angeblichen Fehlern und Falschmeldungen. Zuvor hatte sie versucht, dass die junge Welt den inkriminierten Beitrag freiwillig löscht oder zumindest ihren Namen darin unkenntlich macht. Dabei berief sich die Dame auf ein Recht auf Vergessen. Mit dieser Masche war sie bei vielen anderen Zeitungen erfolgreich, die junge Welt verweigerte den Vollzug. Denn die Bank ging damals pleite, die Abwicklung dauert bis heute an, die ehemalige Direktorin wurde zum Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt. Die Exbänkerin zog vor das Berliner Landgericht. Als der Richter am ersten Verhandlungstag am 19. Mai signalisierte, dass er der Argumentation der jungen Welt folge, nahm die Frau ihre Klage zurück.

Die Liste juristischer Angriffe auf die junge Welt ist lang, sie stammen vom Bundesligaprofi über den CDU-Abgeordneten bis hin zum Wohnungskonzern Akelius GmbH. Jeder Prozess kostet, nicht nur Geld, sondern auch viel Kraft und Zeit. Und weil nicht immer gewonnen werden kann, ist es überlebenswichtig, dass sich die junge Welt auch im Zweifelsfall den Rechtsweg leisten kann. Deshalb trägt jedes Abo und jeder Genossenschaftsanteil konkret dazu bei, fortschrittliche Berichterstattung zu ermöglichen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!