Nicht jeden Dreck fressen
Von Dietmar KoschmiederWir leben nicht mehr in Zeiten, in denen frühere NSDAP-Kader der alten Bundesrepublik als Richter, Regierungsberater, Ministerpräsidenten, Bundeskanzler, Bundespräsidenten, Geheimdienstchefs und Bundeswehr-Generäle dienen durften. Das liegt leider nicht daran, dass diese Gesellschaft mittlerweile konsequent antifaschistisch geworden ist. Sondern ausschließlich daran, dass die Faschisten von damals mittlerweile tot oder fast tot sind. Neonazis hingegen konnten mit ihrem Sieg-Heil-Gebrüll der vergangenen Jahre kaum Machtpositionen erringen – auch deshalb nicht, weil sie als Rettungsanker für die dahinsiechende kapitalistische Gesellschaft noch nicht gebraucht wurden.
Mit den nächsten Krisen und dem weiteren Niedergang des Kapitalismus ändert sich dies. Schon sitzen Nazis wieder in Parlamenten. Schon ist der Konsens, dass Faschisten keinesfalls Bündnispartner sind, sondern vielmehr bekämpft werden müssen, wo immer es geht, gehörig aufgeweicht. Selbst bei Leuten, die sich mal für links gehalten haben oder sich noch immer für links halten. Das neue Zauberwort, unter dem man sich verbrüdert, heißt »Freiheit« – und die ist bekanntlich immer die der Andersdenkenden, also vor allem die der Nazis. Die werden sich aber mit bürgerlich-parlamentarischen Palaverplätzchen nicht lange zufriedengeben. Schon sind sie dabei, die Kreide auszuspucken, mit deren Hilfe es ihnen gelungen ist, viele über ihre wahren Absichten zu täuschen. Sie werden offen auf die rassistisch-nationalistische Karte und auf neue gewaltige Kriege setzen, denn nur so ist der Kapitalismus noch zu retten. Ihnen auf den Leim gehen vor allem jene, die immer mehr auf Grundlage von Irrationalismen denken und handeln. Und solche Leute gibt es immer mehr.
Deshalb wird gerade in diesen Tagen eine Zeitung wie die junge Welt so dringend gebraucht. Der Antifaschist Emil Carlebach, Mitbegründer der Frankfurter Rundschau und der VVN, brachte das schon am 24. Dezember 1997 in der jungen Welt auf den Punkt: »Man kann gar nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte – ein Zitat von 1933; aber wie aktuell ist es heute wieder! Wer nicht jeden Dreck fressen will, der hält zu der Tageszeitung junge Welt.«
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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