Für wen schaffen wir das?
Von Andreas Hüllinghorst»Wir schaffen das!« ließ die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor fast genau fünf Jahren verlauten. Hintergrund war die damals so genannte Flüchtlingskrise. Auf dieses politisch aufgeladene Wort hatten sich Politik und Medien geeinigt. Ein Unwort, das unterstellt, die Flüchtenden seien verantwortlich für die Verschlechterung der Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung. Dabei ging es der Wirtschaft vorrangig um kostenlos ausgebildete Kräfte und um eine günstige Gelegenheit, Lohnkosten zu senken und arbeitende Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Zugleich hieß es aus dem rechten Lager – das nicht erst bei der CDU anfängt und auch nicht bei der NPD aufhört – »Umvolkung!«, »Lohndrücker!«, »Kinderschänder!« usw.
Merkel hatte aber die »Zivilgesellschaft« auf ihrer Seite. Auch so ein ideologisch angereichertes Wort. Es drückt den Anspruch aus, gemeinsam nach humanitären Normen zu handeln – und eben nicht vorrangig nach staatlichen, militärischen oder ökonomischen Leitlinien. Und das taten viele, vor allem Besserverdienende, aus der BRD dann auch. Sogar dem Entrüstungssturm von AfD und deren Verbündeten bei Pegida und in der CDU hielten Merkel und Teile der Mittelschicht stand. Aber sie fragten nicht, warum die Menschen beispielsweise aus Afrika oder dem Nahen Osten ihre Länder verließen. Sie sprachen nur vereinzelt von Neokolonialismus, Landraub, Vertreibung, importierten Kriegen, extremer Dürre, Hungersnot. Immerhin half man. Aber weiter schaut das spontane Bewusstsein nicht.
Heute ist es anders. Die »Umvolkungs«-Beschwörer sind dabei, die Zivilgesellschaft zu kapern. CSU-Innenminister Horst Seehofer konnte vor wenigen Tagen in seiner Auswertung dieser fünf Jahre »Wir schaffen das!« beruhigt feststellen: Man habe Ordnung geschaffen und durch die »Reduzierung der Einwanderungszahlen« »Humanität praktiziert«.
Die junge Welt sieht das nicht so. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht ertrunken. Der EU-»Grenzschutz« wird regelmäßig verschärft. Die Geflüchteten sind zumeist in Ghettos eingepfercht, auf die in den letzten fünf Jahren um die 2.000 Brandanschläge verübt worden sind. Mindestens die Hälfte der Asylanträge in der BRD wurde abgelehnt. Die Kriege in den Herkunftsländern vieler Flüchtender toben bis heute, auch mit deutscher Beteiligung (Soldaten, Kriegsgerät). Deutsche Agrarunternehmen kaufen in Afrika weiterhin riesige Ländereien für Monokulturen und vertreiben die angestammte Bevölkerung. Kurzum: So wichtig es ist zu helfen, so wichtig ist es, die Ursachen des Elends zu kennen und zu bekämpfen. Darum informiert junge Welt über Hintergründe und Zusammenhänge – zur Lage der Flüchtenden und zu anderen Themen. Nutzen Sie unser dreimonatiges, unverbindliches Protestabo zum unschlagbar günstigen Preis, mit dem sie unser Versprechen prüfen können. Damit unsere Leserinnen und Leser hoffentlich bald auch im Kampf für bessere Lebensverhältnisse sagen können: »Wir schaffen das!«
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