Der Kampf geht weiter
Von Dietmar KoschmiederDie Tageszeitung junge Welt befindet sich in einer äußerst schwierigen Situation. Die Kosten für Druck und Vertrieb der Zeitung steigen enorm. Weil der Verlag die Abopreise auch weiterhin nur sehr vorsichtig anheben will, sollen mehr bezahlte Abonnements die notwendigen Mehreinnahmen bringen. Eine Option für diesen Weg ist die aktuelle Kampagne: Jeder kann sich 75 aufeinanderfolgende Ausgaben der jungen Welt für 75 Euro nach Hause liefern lassen. Und natürlich darf man so ein Spezialabo auch an Freunde und Bekannte verschenken. Diese Aktion läuft bis zum 12. Februar 2022. Das ist der Tag, an dem die junge Welt vor 75 Jahren zum ersten Mal erschien. Zu diesem Jubeltag wünschen wir uns von jeder Leserin, jedem Leser dieser Zeitung die Vermittlung eines solchen Aktionsabos. Deshalb finden Sie in dieser Ausgabe dafür auch einen Merkzettel.
Eine steigende verkaufte Auflage führt aber nicht nur zu mehr Erlösen, sondern auch zur erhöhten Relevanz der Zeitung. Das aber passt dem Inlandsgeheimdienst überhaupt nicht in den Kram. Weshalb er schon seit Jahren die junge Welt im Verfassungsschutzbericht zum »bedeutendsten und auflagenstärksten Medium im Linksextremismus« deklariert. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke heißt es, dass der Zeitung wegen ihrer »Wirkmächtigkeit« der »weitere Nährboden« zu entziehen sei. Darin sehen der Verlag 8. Mai und die junge Welt gravierende Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit, weshalb Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben wurde.
Mittlerweile hat die Gegenseite mit einem ausführlichen Schriftsatz geantwortet. Trotz 23jähriger geheimdienstlicher Verfolgung konnten aber keine stichhaltigen Beweise für die Unterstellungen vorgelegt werden. Darüber werden wir später ausführlich informieren. Heute sollen aus aktuellem Anlass nur zwei der aufgeführten Beweise dokumentiert werden. So wird der jW vorgeworfen, dass sie sich in einer Traditionslinie zur Zeitung der FDJ sehe. Das sei daran zu erkennen, dass sie im Jahr 2007 ihr sechzigjähriges Bestehen mit einer Beilage gefeiert habe. Außerdem könne das damit belegt werden, dass die junge Welt »in einer 2020 in der jW veröffentlichten Chronik (…) als erste Ausgabe diejenige vom 12.02.1947 benannt« habe (Beweismittel Nr. 3). Und damit soll »erwiesene Verfassungsfeindlichkeit« belegt werden?
Dann wäre auch die aktuelle Kampagne zum 75. Geburtstag der Zeitung ein Beleg dafür. Die erste Ausgabe der Jungen Welt erschien tatsächlich am 12. Februar 1947 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone. Natürlich ist sie heute kein Zentralorgan mehr und gehört einer Genossenschaft. Diese, aber auch Verlag und Redaktion, stehen dazu, dass die Geschichte der DDR zur Geschichte der jW gehört. Und betonen, dass bestimmte Traditionslinien bis heute bewusst weitergeführt werden. Dazu zählt eine konsequent antifaschistische Haltung. Wahrscheinlich ist es das, was den Verfassungsschutz so aufregt. Denn ein zentraler Vorwurf des Geheimdienstes in der aktuellen Klageerwiderung besteht darin, dass jW, so wörtlich, »Agitation gegen Imperialismus, Faschismus und Konterrevolution« betreiben würde. Der Inlandsgeheimdienst hat zwar vielfach nachgewiesen, dass konsequentes Auftreten gegen Faschismus seine Sache noch nie war. Das aber erklärt nur zum Teil, weshalb für ihn Antifaschismus ein Beweis für Verfassungsfeindlichkeit sein soll.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!