Abfuhr für Tories
Von Christian BunkeDie Kommunal- und Bezirkswahlen in Schottland, England und Wales haben vor allem eines gezeigt: Die Nichtwähler haben den überragenden Sieg davongetragen. In vielen Kommunen beteiligten sich an der Abstimmung am Donnerstag nur zwischen 20 und 30 Prozent der Wahlberechtigten. Keine der in Großbritannien aktiven politischen Parteien genießt das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung. Das muss bei der Analyse der Wahlergebnisse berücksichtigt werden. Diese zeigen – auch wenn das amtliche Endergebnis zu jW-Redaktionsschluss am Freitag nachmittag noch nicht feststand – Verluste für die Tories, Zugewinne für Labour in London, aber auch Verluste für die Sozialdemokraten in den Landesteilen außerhalb Londons. Davon profitierten jedoch nicht die Tories, sondern überwiegend die Liberaldemokraten und die Grünen.
Bei den Abstimmungen ging es vor allem um die Frage, wie hoch die Verluste der in Großbritannien regierenden Konservativen von Premierminister Boris Johnson sein würden. Dessen politische Zukunft steht zunehmend zur Debatte. So schießen im Vereinigten Königreich derzeit die Lebenshaltungskosten deutlich in die Höhe. Laut einer am 5. Mai veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts »Opinium« sind nur 20 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass die Regierung »genug« getan habe, um diese Krise zu meistern. 73 Prozent der Befragten gaben an, es sei »nicht genug« getan worden. Dieser Unmut machte sich nicht nur in Umfragen bemerkbar. In Großbritannien wird derzeit soviel gestreikt wie lange nicht mehr.
Die Chancen für die oppositionelle Labour-Partei wurden vor den Wahlen von der britischen Hauptstadtpresse hoch eingeschätzt. Labour gilt seit dem Amtsantritt von Keir Starmer als Parteichef wieder als »regierungsfähig«. Noch am Tag vor den Kommunalwahlen drohte Starmer NATO-kritischen Parlamentsabgeordneten mit dem Parteiausschluss, wenn diese weiterhin eine »falsche Äquivalenz« zwischen dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und dem Agieren des westlichen Kriegsbündnisses herstellen würden.
In London verloren die Tories die wohlhabenden Bezirke Westminster, Wandsworth und Barnet an Labour. Alle drei Bezirke waren seit mehr als 40 Jahren in konservativer Hand. Wandsworth galt traditionell als der politische Lieblingsbezirk von Margaret Thatcher. Diese Verluste können als Warnung für die Regierung gelesen werden, da sie als Signal dafür gelten, dass Labour für wohlhabende Menschen in Großbritannien wieder eine wählbare Kraft geworden ist.
In manchen Arbeitergegenden wurde die weiter wachsende Entfremdung zwischen Arbeiterklasse und Sozialdemokratie deutlich. So ging in der zum Großraum Liverpool gehörenden Gemeinde Wirral der Ortsteil Bebington an die Grünen, und zwar mit einem komfortablen Vorsprung von 1.000 Stimmen. In Liverpool hatte die Parteispitze um Starmer in den vergangenen Monaten wiederholt interveniert, um linke Kandidaten auszubooten. Auch in der nordenglischen Kommune South Tyneside, einer Industrieregion, gab es Zugewinne für die Grünen.
Einen Gegenpol bildeten die Wahlergebnisse in der nordwestenglischen Stadt Preston. Hier konnte Labour deutlich zulegen. Das gilt als Bestätigung des Kurses der örtlichen Stadtregierung, die in den vergangenen Jahren stetig in lokale Infrastruktur investiert und den Aufbau von Kooperativbetrieben gefördert hat.
In Nordirland wurde außerdem das Regionalparlament neu gewählt. Diesen Wahlen wurde eine besondere Brisanz zugesprochen, da hier mit Zugewinnen für die linksrepublikanische Partei Sinn Féin gerechnet wurde – erste Ergebnisse wurden jedoch erst für Freitag abend erwartet.
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