Schlapphüte ärgern
Von Dietmar KoschmiederDie Tageszeitungsbranche ist gerade dabei, sich selbst abzuschaffen. Vergangenes Wochenende trafen sich Mitarbeiter von Verlag und Redaktion der Tageszeitung junge Welt, um zu beraten, wie trotz solcher Rahmenbedingungen das »bedeutendste Medium im Linksextremismus« (Verfassungsschutzberichte von 2010 bis 2022) gestärkt und weiterentwickelt werden kann.
Einigkeit besteht darin, dass wir zum einen weiter für die Existenz der gedruckten Zeitung kämpfen, die gerade im Onlinezeitalter mit besonderen Stärken und Vorteilen aufwarten kann. Zum anderen ist auch klar, dass das digitale Standbein für die junge Welt enorm an Bedeutung gewinnt. Das betrifft nicht nur die Zahl der digitalen Abonnements für die Onlineausgabe jungewelt.de, die deutlich schneller wächst als die ihres gedruckten Pendants. Das gilt auch für die Möglichkeit, die unvergleichlich wichtige journalistische Arbeit der Zeitung immer mehr Menschen bekannt zu machen. Im Kampf um mehr Reichweite will die junge Welt deshalb künftig viel stärker unterschiedliche Formen der digitalen Werbung für die Zeitung nutzen.
Die Inhalte der jW erscheinen aber nicht nur in Form digitaler oder gedruckter Tagesausgaben, vielfältige Veranstaltungen werden ebenfalls für deren Verbreitung genutzt. Mit ihnen sollen nicht nur 80 Gäste in der jW-Maigalerie oder die 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz erreicht werden: Damit künftig auch Leserinnen und Leser in Wien, Basel, Frankfurt oder Rostock diese Angebote für ihre Weiterbildung nutzen können, bauen wir unser digitales Team weiter aus. So können künftig Veranstaltungen in der Berliner Maigalerie nicht nur vor Ort, sondern überall in der Welt live miterlebt werden. Die nächste Möglichkeit dazu gibt es am kommenden Donnerstag (29. Juni 2023 ab 19 Uhr), wenn Jürgen Lloyd, Susann Witt-Stahl und Arnold Schölzel am Beispiel der Ereignisse in Chile 1973 darüber sprechen, weshalb manche bis heute glauben, dass bürgerliche Demokratie gelegentlich in Blut gebadet werden müsse. Für Verlag, Redaktion und Genossenschaft der jungen Welt ist der faschistische Putsch gegen die demokratisch gewählte Allende-Regierung vor 50 Jahren nicht einfach nur ein historisches Datum, sondern ein Ereignis, dessen Hintergründe und Zusammenhänge für das Verständnis heutiger Politik unverzichtbar sind.
Genau dieser Ansatz gefällt aber dem deutschen Inlandsgeheimdienst überhaupt nicht. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2022, der am Donnerstag dieser Woche in Berlin vorgestellt wurde, wird der Tageszeitung junge Welt tatsächlich vorgeworfen, mehr als ein Informationsmedium zu sein, weil sie durch Veranstaltungen Reichweite erziele! Wenn dort ansonsten auch viel Mist über die junge Welt steht: Das stimmt sogar! Dass uns dies besser gelingt als den meisten anderen Zeitungen, trotz jahrelanger Bekämpfung durch den Verfassungsschutz, beunruhigt die Schlapphüte offensichtlich besonders. Die junge Welt klagt nun schon seit fast zwei Jahren gegen die grundgesetzfeindlichen Aktivitäten des Amtes, ein Urteil in erster Instanz wird in den kommenden Monaten erwartet. Wer uns in diesem Kampf unterstützen will, kann dies mit einer Spende für den Prozesskostenfonds tun. Äußerst hilfreich wäre allerdings auch, aktiv dabei mitzuwirken, dass die jW Bekanntheit und Reichweite weiter ausbauen kann: Weisen Sie auf Zeitung und Veranstaltungsstream hin, verschenken Sie Probeabos oder das 75-Euro-Aktionsabo an Menschen, die an aufklärender Information interessiert sind. Damit erfreuen (und verärgern) Sie die Richtigen!
Unterstützen Sie die junge Welt mit einer Spende für den jW-Prozesskostenfonds. Kontoinhaber: Verlag 8. Mai GmbH, IBAN: DE25 1005 0000 0190 7581 55, Stichwort: Prozesskosten
»Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden …«, Faschismus in Chile unter Pinochet – deutsche Beteiligung, Kontinuitäten, Parallelen. Donnerstag, 29. Juni 2023, 19 Uhr (Einlass: 18 Uhr), Maigalerie der jungen Welt, Torstraße 6, Berlin. Oder im Livestream unter jungewelt.de
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!