Kriegstreiber stören
Von Dietmar KoschmiederZuerst die gute Nachricht: Trotz erheblicher Angriffe von außen, Kostenexplosion und Verschlechterung in der Zustellogistik, aber auch trotz interner Probleme konnte die Tageszeitung junge Welt im Jahr 2024 Reichweite, verkaufte Auflage und die Zahl der herausgebenden Genossenschaftsmitglieder steigern. Dennoch wollen wir Ihnen nicht verschweigen, dass die dabei erreichte Dynamik noch nicht ausreicht, um künftige Kostenentwicklungen aufzufangen, notwendige Investitionen in die Zeitung zu finanzieren und weitere absehbare Angriffe erfolgreich abwehren zu können.
Nicht nur die Kosten für Herstellung und Vertrieb von Tageszeitungen sind in diesem Jahr weiter stark gestiegen. Da von der allgemeinen Preisentwicklung auch unsere Mitarbeitenden betroffen sind, haben wir uns entschieden, die Gehälter der Beschäftigten der genossenschaftseigenen Firmen Verlag 8. Mai GmbH und AVZ GmbH seit Juli dieses Jahres um zehn Prozent und die Zeilengelder für die freien Autoren seit Dezember um elf Prozent zu erhöhen. Diese und andere Mehrkosten konnten durch verbesserte Einnahmen ausgeglichen werden. Stärker als die Kostenentwicklung sorgen uns die Veränderungen in der Branche. Immer mehr Verlage gehen dazu über, ihr Engagement für die gedruckte Zeitung zu verringern oder gleich ganz einzustellen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen, auch für andere. So verzichtet das Neue Deutschland auf die gedruckte Montagsausgabe, weitere Tage könnten folgen. Die Taz hat angekündigt, ab Oktober des kommenden Jahres nur noch die Wochenendausgabe auf Papier zu drucken. Manche Regionalzeitungen erscheinen schon heute nur noch am Samstag auf Papier, während andere ihre gedruckte Zeitung nicht mehr in ländlichen Regionen zustellen. Auch die Belieferung des Einzelhandels wird reduziert. So verkauft die Taz schon jetzt deutlich weniger Zeitungen am Kiosk als die junge Welt. Und das Neue Deutschland gibt es dort schon so gut wie gar nicht mehr, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Entwicklungen führen dazu, dass die junge Welt immer höhere Kosten für Logistik und Vertrieb hat und unklar bleibt, welche Lieferstrecken in Zukunft überhaupt noch bedient werden können.
Die junge Welt wird auch weiterhin eine gedruckte Tageszeitung zur Verfügung stellen. Gleichzeitig wird sie auf eine bessere Entwicklung ihres Onlineangebotes achten müssen. Hier ist es uns gelungen, die angezogene Handbremse im Hause zu lösen und wichtige Schritte in diese Richtung zu gehen. Auch dafür war es notwendig, eine Veränderung in der Chefredaktion vorzunehmen. Schwerwiegender waren allerdings Probleme, die sich bei der Umsetzung der Blattlinie ergeben haben. Immer wieder war die Geschäftsführung gezwungen, in die Redaktionsarbeit einzugreifen – was auch dazu führte, dass eine Reihe anderer wichtiger Aufgaben liegenblieben. In den letzten Monaten ist es nun gelungen, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen wichtige Veränderungen in der Verlagsstruktur zu erarbeiten. Das Ziel ist es, unsere ganze Kraft optimal auf die guten Möglichkeiten auszurichten, die wir für die Verbreitung der gedruckten und digitalen Ausgabe der jungen Welt haben.
Denn dieses journalistische Produkt wird mehr gebraucht denn je. Seine Macherinnen und Macher verschließen nicht die Augen vor den sichtbaren aktuellen ökonomischen und den damit zusammenhängenden politischen Entwicklungen. Die »westliche Wertegemeinschaft«, womit die führenden imperialistischen Staaten und in Abhängigkeit gehaltene weitere Staaten gemeint sind, erkennt richtig, dass sich die Zeit ihrer Dominanz dem Ende nähert und dieser Niedergang nur noch durch Kriege aufzuhalten ist. In diversen Hinterhöfen soll aufgeräumt werden, um mit ganzer Kraft den Krieg gegen den Hauptkonkurrenten führen zu können: die aufstrebende Volksrepublik China. Auf dieses Ziel wird seit der propagierten Zeitenwende ganz offen hingearbeitet. Und deren Umsetzung bedarf der Unterordnung aller anderen Sphären: Deutschland muss kriegstüchtig werden, die Folgen dieser Politik sind bis in jeden Kindergarten spürbar.
Die junge Welt schafft hier Klarheit in der Positionierung und Präzision in der Analyse, weil sie für die Erstellung der veröffentlichten Texte nicht KI, sondern Dialektik und Marxismus nutzt. Das unterscheidet sie von anderen Tageszeitungen, und das Ergebnis macht sie nicht nur bei Leserinnen und Lesern aus linken Kreisen beliebt. »Das wichtigste Medium im Linksextremismus« zu sein, wirft uns der Inlandsgeheimdienst seit Jahren im Verfassungsschutzbericht vor. Aber viel mehr beunruhigt ihn, dass die junge Welt Referenz bis in bürgerliche und konservative Kreise hinein geworden ist. Das liegt auch am Versagen des bürgerlichen Journalismus. Deshalb wird die junge Welt offen vom Staat bekämpft, soll ihr der Nährboden entzogen werden, soll verhindert werden, dass sie am politischen Willensbildungsprozess im Lande teilnehmen kann: Sie steht dem Ziel der Regierung im Wege, Deutschland kriegstüchtig zu machen. Wegen der damit verbundenen Einschränkung der Pressefreiheit und weiterer demokratischer Grundrechte hat die junge Welt 2021 die Bundesrepublik Deutschland verklagt. 2024 hat das Verwaltungsgericht Berlin in erster Instanz entschieden, dass Zeitung und Leserschaft diese Verletzung der Grundrechte hinzunehmen haben. Zwar wird der Zeitung durchaus vielfältige journalistische Arbeit bestätigt, womit aber nur verschleiert werden solle, dass es ihr in Wirklichkeit um die Errichtung einer Einparteiendiktatur gehe. Zurzeit kämpft die junge Welt darum, dass sie in nächster Instanz gegen dieses Urteil vorgehen kann. Der Richter sah dafür nämlich keine Notwendigkeit, weil der Fall keine grundsätzliche Bedeutung habe. Der weitere Verlauf dieses Prozesses gibt auch Auskunft darüber, in welchem Stadium des Verfalls sich die bürgerliche Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland befindet.
Ohne unsere sehr engagierte Leserschaft wäre es schlicht unmöglich, unter solchen Umständen jeden Tag eine brauchbare Zeitung zu erstellen und zu verbreiten. Dafür möchten wir uns bei Ihnen ganz herzlich bedanken. Auf diese Hilfe werden wir auch weiterhin angewiesen sein.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!