Leserbrief zum Artikel Philipp Jenninger (CDU) ist tot
vom 08.01.2018:
Missverstandene Rede
Was Ihr anlässlich des Todes von Philipp Jenninger schreibt, stützt sich auf die Meldung von AFP. Ihr selbst habt offenbar nicht recherchiert. Andernfalls hättet Ihr bemerken müssen, dass Jenninger Opfer eines Missverständnisses wurde: Er hatte für seine Ansprache die Form der »erlebten Rede« gewählt. Daher wurde das, was er über die Mentalität der deutschen Volksgemeinschaft im Faschismus aussagen wollte, fälschlich als seine Meinung interpretiert. »Das von der Welt ungläubig bestaunte Wirtschaftswunder« diente ihm zur Erklärung für den Mangel an Bereitschaft in der Nachkriegsgesellschaft, sich mit den Verbrechen des Faschismus auseinanderzusetzen.
Eine große Rolle im Rahmen der Fehlinterpretation von Jenningers Rede hat die Gestik der jüdischen Schauspielerin Ida Ehre gespielt, die sich nicht erst während Jenningers Rede die Hände vors Gesicht gehalten hatten, sondern unmittelbar, nachdem sie Paul Celans Gedicht »Todesfuge« vorgetragen hatte - eine Rezitation, die sie selbst tief erschüttert hatte. Hannes Heer hat im Rahmen einer Vortragsreihe mit dem Titel »Der Skandal als vorlauter Bote«, die er im vergangenen Jahr in Hamburg gehalten hat, die Rezeption der Jenninger-Rede kritisch reflektiert und ist zu den von mir kurz zusammengefassten Ergebnissen gelangt.
Eine große Rolle im Rahmen der Fehlinterpretation von Jenningers Rede hat die Gestik der jüdischen Schauspielerin Ida Ehre gespielt, die sich nicht erst während Jenningers Rede die Hände vors Gesicht gehalten hatten, sondern unmittelbar, nachdem sie Paul Celans Gedicht »Todesfuge« vorgetragen hatte - eine Rezitation, die sie selbst tief erschüttert hatte. Hannes Heer hat im Rahmen einer Vortragsreihe mit dem Titel »Der Skandal als vorlauter Bote«, die er im vergangenen Jahr in Hamburg gehalten hat, die Rezeption der Jenninger-Rede kritisch reflektiert und ist zu den von mir kurz zusammengefassten Ergebnissen gelangt.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 10.01.2018.