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Leserbrief zum Artikel Deutsche Zustände: Der Geist der Nation vom 19.09.2018:

Volk und Nation

Der Artikel beschreibt zwar die Symptome im wesentlichen richtig, bestimmt aber die Ursache falsch. Derselbe Fehler, der der Haltung der AfD-Anhänger und Neofaschisten wie offenbar auch der CSU in Bayern zugrunde liegt, findet sich in diesem Artikel: Während die Überschrift vom »Geist der Nation« spricht, wird in dem Artikel selbst ständig vom »deutschen Volk« gesprochen. Die Dummheit des rechten Pöbels besteht aber gerade darin, nicht den Unterschied von Nation (gleiche Herkunft, Sprache, Geschichte und Sitten) und Volk (juristisch: alle Menschen auf dem Gebiet eines Staates, i. e. das Staatsvolk …) zu kennen. Das scheint bis in die linke Szene hinein der Fall zu sein und verlangt dringend nach Aufklärung. Das »deutsche Volk« des »Grundgesetzes« (wenn man es denn anerkennen will) umfasst also alle ausländischen Mitbürger, wie es überhaupt jeder Staat der Welt in seiner Gesetzgebung und seinen Aktionen nur mit dem Staatsvolk und nicht mit der Nation zu tun hat. Daraus folgt, dass die Ausgrenzung und Verfolgung nationaler Minderheiten im Bereich des Staates einen Angriff auf diesen selbst darstellen und deshalb von einem Rechtsstaat unterbunden werden müssen, weil sie sich gegen sein Staatsvolk richten. Tut er es nicht,verletzt er seine grundsätzlichen Pflichten (wie sie sich aus dem »Grundgesetz« ergeben) und verliert dadurch seine Legitimität. Das ist, wohlgemerkt, bürgerliches Recht, nicht linke Ideologie.
Peter Nowak

Kommentar jW:

Zu diesem Leserbrief ist eine Antwort des Autors eingegangen:

Wer verachtet wen?

Zu jW vom 19.9.: »Geist der Nation«
Die beiden Zuschriften zum Artikel »Geist der Nation« (19.9.18) nehmen die »einfachen Menschen«, die sich von CDU, CSU und zunehmend von der AfD vertreten lassen und zum Teil auf »Ausländer raus!«-Demos aktiv werden, vor dem Vorwurf des »gehässigen Nationalismus« in Schutz. Die Kritik des Fehlers, alle Nöte ihres Alltags für belanglos zu halten angesichts des Umstands, dass sich in ihrer deutschen Heimat Ausländer tummeln, haben sie durchaus bemerkt – und verwerfen sie als »Verachtung des Volkes«, das »voreilig in die rechte Ecke gestellt und beschimpft werde, anstatt es zu verstehen und zu gewinnen«. Das weise ich zurück. Ich habe die, die sich da als Volk zu Wort melden, sehr gut verstanden: Da gehen Leute mit nichts als der untertänigen Forderung nach einer ordentlichen Herrschaft in die Offensive, auf die sie als Deutsche ein Vorrecht haben, und dieses eingebildete Recht schließt die Drangsalierung all jener mit ein, denen man es abspricht.
Verstehen heißt für die Autoren offenbar nicht, den Fehler zu kapieren, den es braucht, um Migranten für alle Ärgernisse des kapitalistischen Alltags verantwortlich zu machen, sondern Verständnis für ihn aufzubringen: Die »arbeiterlichen Schichten« mit ihren »berechtigten Sorgen« und ihrer »prekären Lage« würden doch nur von »Nationalisten und Rassisten instrumentalisiert«, die sich »an die Spitze solcher Demonstrationen setzen«.
Und wer verachtet jetzt hier wen? Ich halte jedenfalls Leute, die mit der Parole »Ausländer raus!« oder »Wir sind das Volk« antreten, nicht für so dumm, dass sie nicht wüssten, wofür sie da demonstrieren. Auch halte ich diese »kleinen Leute« nicht für eine orientierungslose Schafherde, die auf der Suche nach Führung herumirrt und nur deswegen dem nächstbesten rechten Arschloch hinterherläuft, weil keine verständnisvolle linke Führung ihre Ressentiments aufgreift und ihnen »Perspektiven« verkauft, hinter denen sie lieber herlaufen sollten.
Ich nehme die Leute, die in Chemnitz, Köthen und sonstwo aufmarschieren, lieber ernst und beim Wort, weswegen ich ihnen den Fehler ihrer Ausländerfeindschaft vorrechne und sie, wenn schon zu etwas, dazu gewinnen will, ihn zu lassen. Eine Auseinandersetzung darüber bietet die Gegenstandpunkt-Redaktion in den nächsten Wochen in vielen Städten an, Infos dazu unter www.gegenstandpunkt.com/veranstaltungen.
Peter Decker

Veröffentlicht in der jungen Welt am 04.10.2018.
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