Leserbrief zum Artikel jW in Gefahr: Kraft für den Kampf
vom 08.12.2018:
Anlass zum Switchen?
Papierluxus wert ist. Als Luxus bezeichne ich es, mein Lesen anderer Publikationen im Internet, meine »Bildschirmarbeit« für das »Blättern« der jW zu unterbrechen. Es liest sich um einiges besser im Ohrensessel ...
In der S-Bahn dürfte es zwar nicht als wirklich kommunikativer gelten, sich hinter der gedruckten jW anstatt dem Smartphone mit gleicher Lektüre zu »verschanzen«, aber es hat einen wichtigen Nebeneffekt. Der Papier-Leser wirbt für seine Zeitung – automatisch. Auch ich warb schon in der Sauna, im Urlaub, auf der Parkbank oder sonstwo.
Mit dem Preis für – meinen – Luxus bezahle ich die Bäume und das Wasser, die zum Drucken auf Papier nötig sind, vor allem aber die vielen ArbeiterInnen, die schöpfen, drucken, liefern und austragen. Man könnte meinen, ich »schaffe« Arbeitsplätze. Sicher ist, dass ich Profit finanziere, den der Papiermühlen, der Druckereien und der – einzigen – Zustell-AG, welche den Hals nicht voll genug kriegen kann; sind die anderen schon zu gut genährt? Warum macht jW nicht richtig »Schmott«, profitiert von ihrer Zeitung wahrscheinlich am allerwenigsten?
Wie hart der »Zeitungsmarkt« ist, sieht man am Sterben oder »Siechen« der anderen und »Großen«. Und da soll sich gerade unsere, meine jW behaupten? Sie macht es schon jahrelang, gegen den Strom und vor allem gegen den Wind, der nur ihr entgegenschlägt, den politischen. Ich danke zuerst den – genügsamen – Redakteuren und auch der Verlagsgenossenschaft für ihren Kampf. »Man sollte nie seine beste Hose anziehen, wenn man hingeht, um für Freiheit und Wahrheit zu kämpfen.« (Henrik Ibsen)
Jetzt kommt die Stelle, wo der geneigte Leser hier mit Recht einen Ausweg aus der Misere erwartet, und ich auch kein Heilmittel habe. Nur soviel, ich lese jW auch noch im Internet weiter, wenn es anders nicht mehr geht.
Schon jetzt hat auch die digitale Form Vorteile. Das Smartphone ist ständiger Begleiter, da kann man die Zeitung gar nicht vergessen, wenn man aus dem Haus geht. Es sei denn, man hat keine Flat und muss den nächsten Hotspot erheischen. Auch kann man mal schnell einem Freund einen Link senden, auch so Werbung machen, für Zeitung und den betreffenden Gegenstand. Es recherchiert sich bestens digital; bei Papier muss ich immer lange blättern und suchen.
Und vor allem empfände ich es als den größten digitalen Vorteil, wenn meine »Lesergroschen« nicht den kapitalistischen Schmerbauch füllten, sondern ausschließlich den Redakteuren zugute kämen. Nur dafür braucht’s ein schlüssiges Marketing, welches die »Konkurrenz«, die keine wirkliche ist, meiner Meinung nach auch noch nicht gefunden hat. Die Einnahmen im Onlinezeitungsbereich dürften kaum kostendeckend bei der (Nicht-)Konkurrenz sein.
Ich freute mich, wenn meine jW da wieder einmal revolutionär wär, wirklich. Ich hoffe sehr, dass Verlag und Redaktion eines Tages den Mut aufbringen, ganz ins Digitale aufzusteigen – mit erfolgreichem Marketing. Wen müsste der Leser dann außer den RedakteurInnen bezahlen, entlohnen? Braucht’s noch eines Anlasses fürs »Switchen« – den haben wir doch wohl mit der DP AG zur Genüge?
Oder ist da noch die (versteckte?) Angst vorm »Abschalten«, der Klassenzensur? Wie real diese bereits ist, zeigt das Beispiel der WSWS. Es gibt schon mehr »Testläufe«. Ist es tatsächlich schwerer, die Herausgabe einer gedruckten Zeitung zu unterbinden? Wenn ja, dann doch wohl nur deshalb, weil andere an ihr mitverdienen.
Zum Abschluss noch eins, was ich nicht möchte. Ich möchte nicht in der Haut von Verlegern und Redaktion der jW stecken und eine wirkliche Entscheidung treffen müssen. Da wollte ich dann auch lieber so weiter machen wie bisher, gar meine Verbreitung gedruckt weiter erhöhen, zumindest halten, bis ich dann irgendwann einmal gezwungen bin, einen neuen Weg zu gehen, dann hoffentlich nicht mit dem »Mut der Verzweifelten«.
Kommentar jW:
Dazu ging folgende Antwort ein:
Der Kollege Wöhlert hat schon recht, wenn er die Vorteile der Bildschirmmedien nennt. Allerdings werden in Zeiten des Digitalisierungswahns die Nachteile gerne verschwiegen: Ich will gar nicht davon anfangen, dass man Zeitungspapier bestens zum Feuermachen, Fliegenfangen und Schuhe-Ausstopfen brauchen kann. Aber sein kleiner tragbarer Bildschirm funktioniert mittels unerforschter Strahlung. Schon die Hersteller raten zu einem Mindestabstand zum Körper von 30 cm, der BUND empfiehlt zwei Meter. Ebenso unerforscht ist die Möglichkeit der Kontrolle. Damit ist natürlich nicht nur die Kontrolle der Empfangsgeräte – was heute gerne mit Empfänger/in gleichgesetzt wird –, sondern die Kontrolle der empfangenen Informationen gemeint. Für mich als Endverbraucher ist es leichter, mit einer Papierzeitung zu arbeiten, da ich wesentlich besser im Markieren, Ausreißen oder Ausschneiden und Aufkleben bin als mit einer »Maus«. Am Ende meiner Bahnfahrt schmeiß’ ich die Zeitung einfach weg – oder lege sie (ein wenig missionarisch) auf den Nachbarsitz, in der Hoffnung, dass sie noch jemand anders lesen mag. Macht Herr Wöhlert das auch mit seinem Bildschirm? Ich persönlich würde es bevorzugen, wenn man a) mit der Post verhandelte, b) über andere Verteilersysteme nachdächte und c) dann erst die »Digitalisierung« als einzig möglichen Ausweg proklamierte.
Axel Georges, Offenburg