Leserbrief zum Artikel Regierungsschwenk bei »Corona-App«
vom 27.04.2020:
Nicht zu orten
Wie zu erwarten war, treten wegen der Einschränkungen seit längerer Zeit die Datenschützer auf den Plan, Profis wie Amateure. Einer der Oberhüter der persönlichen Freiheit, der FDP-Vorsitzende, mischt da feste mit. Vielleicht bringen seine Bedenken zu gegebener Zeit ein paar Wählerstimmen mehr ein. Und der Präsident des Deutschen Bundestages bemüht gar einen wichtigen Satz des Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar!« Diese Worte stehen über allem, da stimme ich ihm zu. Aber in diesem Zusammenhang ist das wohl ein wenig weit hergeholt. Vor allem, wenn man sich den Datenschutz in unserem Alltag anschaut: Mit Adressen, postalischen wie per E-Mail, wird ein schwunghafter Handel getrieben, einschließlich Namen und anderer persönlicher Daten. Wer ahndet diese Umtriebe? Hat der Rechtsstaat keine Organe, die da für Ordnung sorgen könnten? Im übrigen, diejenigen, die sich in der gegenwärtigen Klemme um den Datenschutz sorgen und befürchten, dass die zeitweilig geltenden Einschränkungen später nicht zurückgenommen werden könnten, haben ein recht schwach entwickeltes Vertrauen in den Rechtsstaat. Überhaupt Rechtsstaat: hie die Rechtsgrundlagen des Datenschutzes – da die alltägliche Praxis. Da klafft eine Schere, schlimmer als die zwischen Arm und Reich. Ansonsten halte ich es für sehr bemerkenswert, mit welcher Disziplin die überwiegende Mehrheit meiner Mitmenschen Einsicht in die Einschränkungen zeigt. Ich habe keine Sorgen mit dem ohnehin schwach entwickelten Datenschutz, habe aber auch kein Smartphone, kann also auch nicht permanent geortet werden.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.04.2020.