Heike Schrader ist Korrespondentin der jungen Welt in
Athen
Die griechische Bevölkerung hat am Mittwoch mit
landesweiten Streiks auf das Spardiktat der eigenen Regierung und
der EU reagiert – in Deutschland hingegen, wo auch gespart
wird, bis es quietscht, herrscht eher Friedhofsruhe. Was
können die Leserinnen und Leser der jW deiner Ansicht nach von
Griechenland lernen?
Die Menschen in Griechenland sind aufgrund der reichhaltigen
Besatzungs- und Diktaturerfahrung allgemein sehr sensibel, was die
Einschränkung von Freiheitsrechten und die Einführung von
Polizeistaatmethoden angeht. Die starke Linke des Landes zeigt
darüber hinaus z.B. in den derzeitigen Streiks auf, daß
eine Alternative zum Ausbeutungsmodell nicht nur möglich,
sondern auch durchsetzbar wäre. Diese Botschaft ist angesichts
der Lage in der BRD, wo die größte
Gewerkschaftsorganisation des Landes, die IG Metall, ganz darauf
verzichtet, Verbesserungen für die Lohnabhängigen zu
fordern, sicherlich wichtig und wohltuend.
Wie berichten denn die griechischen Medien über die
Streiks? Für den 24. Februar ist ja erneut ein Generalstreik
vorgesehen.
Als die Bauern im Januar und Februar für drei Wochen die
wichtigsten Straßen des Landes blockierten, war dies fast
täglich das wichtigste Thema in den Nachrichten. Auch
über die Streiks gegen die Sparpläne wird
regelmäßig berichtet. Die Berichterstattung ist
inhaltlich aber auch hier an den Interessen der bürgerlichen
Klasse ausgerichtet. Aktionen der kommunistischen PAME werden, so
weit es geht, verschwiegen.
Die bekannteste linke Tageszeitung in Griechenland ist die
kommunistische Rizospastis – ist sie mit der jungen
Welt vergleichbar?
Beiden ist gemeinsam, daß sie das Weltgeschehen nicht aus dem
Blickwinkel der Unterdrücker, sondern dem der
Unterdrückten verfolgen und aus ihrem Klassenstandpunkt kein
Hehl machen. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zwischen
beiden Zeitungen. Dier Rizospastis ist das Organ der KKE, also eine
Zeitung der kommunistischen Partei. Eine überparteiliche linke
und marxistische Zeitung wie
junge Welt fehlt leider.
Wird die junge Welt eigentlich auch in
Griechenland gelesen? Per Internet ist das ja durchaus
möglich.
So mancher politisch Aktive mit Deutschkenntnissen liest sie, die
Zeitung ist hier, nicht zuletzt wegen ihrer
Griechenlandberichterstattung, besonders unter Linken durchaus
bekannt. Ab und zu werden wir sogar in bürgerlichen Medien
zitiert.