Miez, miez
Von Peter Steiniger Es ist doch so: Sie will reden und Beziehungsprobleme wälzen, er will in Ruhe die junge Welt lesen und seinen Klassenstandpunkt festigen. Eine Tragödie, wie sie sich Tag für Tag millionenfach an den Frühstückstischen in unserem Land abspielt. Nicht selten führt dies nicht nur zur Zerrüttung zarter Bande, sondern auch zur gänzlichen Entfremdung der Frau von der Tageszeitung überhaupt. Sie stürzt sich da lieber auf Romane, bis der Arzt kommt.
Politik ist Männersache. Noch immer zu sehr. Für eine linke Zeitung muß es aber Anspruch sein, auch auf viele Leserinnen zählen zu können. Wir haben die Hosen heruntergelassen und nachgesehen: Die Kartei der Abonnenten weist einen bösen Männerüberschuß aus. Dabei fällt auf, daß in den östlichen Bundesländern der Anteil an regelmäßigen Leserinnen deutlich höher ist. Hier hat eben häufiger sie die Hosen an und führt die Kasse. Zum Glück steckt noch immer in jeder Gabi, Cornelia oder Sabine zwischen Fichtelberg und Ostseestrand eine kleine Margot Honecker. Noch deutlicher die Diskrepanz im Internet: Vier von fünf unserer Onlineabonnenten sind Kerle.
Letztlich ist ja das Schweinesystem schuld, welches Frauen in die Barbierolle drängt und schlechter bezahlt. Dennoch wollten wir wissen, was die junge Welt tun kann, um für Leserinnen attraktiver zu werden. Auf unserer Facebook-Seite setzten wir per Umfrage die Schwarmintelligenz unserer Fans auf die Sache an. Der Partner sollte »mehr Frauenarbeiten verrichten«, damit sie Zeit zum Lesen gewinnt, meinten die meisten. Nach erfolgreichem Casting in der Redaktionsteeküche werden wir die ersten Mustermannexemplare demnächst an die Frau bringen. Praktikabel ist auch der Rat, mehr Katzenfotos zu veröffentlichen. Auch dem Tip, auf parfümiertem Papier zu drucken, wollen wir folgen. Der klassische Herrenduft Eau Sauvage wurde im kleineren Rahmen schon sehr erfolgreich bei der Werbung um Leserinnen zum Einsatz gebracht. Weitere Vorschläge, bitte!
Ob Mann, ob Frau: In unserer Onlineausgabe können sich jetzt alle besser orientieren. Mit großen Pfeilen läßt sich von Tag zu Tag blättern. Und die Tagesübersicht im Fundus zeigt einen praktischen Kalender. Schauen Sie doch nach dem Frühstück mal vorbei!
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Gisela Sonnenburg, Berlin: Glosse mit Tiefgang Auch wenn ich Autorin bin, so habe ich ja auch als Leserin eine keineswegs leichtfertig gefaßte Meinung. Dieser möchte ich jetzt unbedingt einen angemessenen Ausdruck verleihen: Der "Miez, miez"-A...
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Dringend gebraucht
vom 04.06.2011