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Aus: Ausgabe vom 12.09.2011, Seite 12 / Feuilleton

Einfach und kompliziert

Das brandneue Bundesjugendballett probt in Hamburg
Von Gisela Sonnenburg
Ob Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wußte, was er da finanzieren wird, als er satte 2,8 Millionen Euro für die ersten vier Jahre des brandneuen »Bundesjugendballetts« (BJB) in Hamburg genehmigte? Immerhin können die acht jungen Leute aus sieben Ländern, die es dafür zu John Neumeiers Hamburg Ballett an die Elbe verschlagen hat, richtig gut tanzen – etwas, das bei Empfängern von Tanz-Projektförderung normalerweise nicht oberstes Gebot ist.

Dieses Mal kommt die ungewöhnliche Finanzspritze zu den Richtigen. Kraftvolle Ballett-Avantgarde steht ins Haus, mit jugendlich-modernen Choreographien. Endlich was wirklich Neues. Kevin Haigen, Neumeiers langjähriger choreographischer Assistent, zugleich Erster Ballettmeister und so vitaler wie genialer Tanzpädagoge, ist der künstlerische und pädagogische Leiter der Jugendtruppe. Der bisherige Solotänzer Yohan Stegli ist der nicht nur schurigelnde, sondern kreativ inspirierende BJB-Ballettmeister, und Tourneeorganisator Lukas Onken sammelte seine Erfahrungen beim Bundesjugendorchester. Fehlt nur noch Xenia Wiest aus Berlin als Choreographin.

Bei der ersten Probe in Hamburg zeigen sieben Achtel vom BJB – ein Mädchen war noch in Kanada – was sie drauf haben. Sie entwickeln ein temporeiches, trickreiches, ultralustiges Stück, mit kleinen Soli, Pas de deux, Pas de trois. Da werden Stühle meterweit, aber zentimetergenau direkt unter den Hintern von Mittänzern geswitcht. Da wird artistisch-elegant gerangelt, da wird spielerisch erst Stirn an Stirn, dann Auge in Auge gestanden. »Was würdest du jetzt machen?« fragt Ballettmeister Stegli den Jungtänzer. »Auf den Tisch springen« – er macht’s auch gleich. Sieht gut aus. Drumrum sitzen die anderen und bekommen Lust, die kräftigen Beine ihres Mittänzers anzupacken. »Sieht gut aus«, findet auch Stegli. Aber wie kommt der junge Mann wieder runter? Nach einigem Rumprobieren liegt er plötzlich unterm Tisch, was eine gewisse Komik hat, und robbt von da schnell vor. Zack! So einfach-kompliziert geht das beim Ballett.

Zugute kommt dem Bundesjugendballett zudem, daß es keine homogene Gruppe ist, sondern ans Konzept des legendären Nederlands Dans Theater der 80er Jahre erinnert: Jeder Tänzer sei individualistisch. Das macht bei den 18- bis 23jährigen Talenten Sinn: Besonders Daan van der Akker aus Den Haag, Yukino Takaura aus Hiroshima und Gabriela Finardi aus São Paulo versprechen, dem Ballett-Tanz in Deutschland einen richtigen Power-Schub zu geben. Warten wir’s ab.

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