Aus: Ausgabe vom 16.11.2011, Seite 3 / Schwerpunkt
Stilbildend gegen den Mainstream
Franz Josef Degenhardt wurde am 3.12.1931 in Schwelm/Westfalen geboren. Aus militant-katholischer und antifaschistischer Familie stammend, studierte er nach dem Abitur (1952) Rechtswissenschaft in Freiburg und Köln bis 1956. Nach dem Zweiten Staatsexamen 1960 ging Degenhardt 1961 als Wissenschaftlicher Assistent an das Institut für Europäisches Recht der Uni Saarbrücken und promovierte 1966 mit der Dissertation »Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft«.
Als Liedermacher (1963 Debüt bei Radio Bremen) wie als Jurist zunehmend politisch engagiert, verzichtete er auf eine Habilitation und ließ sich 1969 als Anwalt in Hamburg nieder, war in Antidemonstrationsprozessen für die APO tätig, verteidigte Mitglieder der RAF und wurde 1971 aus der SPD ausgeschlossen; 1978 trat er der DKP bei.
1965 erschien sein Album »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern«, dessen Titellied ihn berühmt machte. Er gilt als eine der Stimmen der 68er Bewegung. Viele seiner Lieder wurden zu Klassikern des politischen Liedes und wirkten »stilbildend auf eine ganze Generation deutscher Liedermacher« (Meyers Taschenlexikon Musik). 1970 erhielt er den Deutschen Schallplattenpreis, 1980 den Preis der deutschen Schallplattenkritik, 1983 den deutschen Kleinkunstpreis und 1986, 1988 sowie 1995 den Südwestfunk-Liederpreis.
Neben der Musik veröffentlichte er acht Romane, die überwiegend vergriffen sind. Bis 2013 will sie der Berliner Verlag Kulturmaschinen neu herausbringen. Zur Frankfurter Buchmesse erschienen seine ersten beiden Bücher »Zündschnüre« und »Brandstellen«. Sein Romandebüt »Zündschnüre« hielt sich 1973 mehrere Monate in der Spiegel-Bestsellerliste und wurde vom WDR verfilmt (Regie: Reinhard Hauff). Sein zweiter Roman »Brandstellen« wurde 1977 von der DEFA verfilmt (Drehbuch: Gerhard Bengsch, Regie: Horst E. Brandt). »Zündschnüre« ist ein Antifa-Abenteuerbuch über die Zeit von 1943–45 in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets, das Kinder wie Erwachsene begeistern kann. In locker verbundenen Episoden geht es um fünf proletarische Freunde, deren Väter im Krieg oder im KZ sind, ihre Schule ist ausgebombt. Sie kämpfen gegen die Nazis, und das Tolle ist: Ihnen geschieht nichts. Auf einer Stufe mit Peter Weiss und Christian Geissler entlarvt hier Degenhardt die Mainstreamlüge, daß man gegen den Faschismus nichts machen konnte, wenn man nicht sterben wollte. Manche der Kinder tauchen in »Brandstellen« zeitversetzt wieder auf, wenn es darum geht, in der bundesrepublikanischen Provinz der siebziger Jahre einen Campingplatz namens »Klein-Schweden« zu verteidigen, der einem NATO-Übungsplatz weichen soll.
Franz Josef Degenhardt starb am 14. November 2011 in Quickborn bei Hamburg. (jW)
Als Liedermacher (1963 Debüt bei Radio Bremen) wie als Jurist zunehmend politisch engagiert, verzichtete er auf eine Habilitation und ließ sich 1969 als Anwalt in Hamburg nieder, war in Antidemonstrationsprozessen für die APO tätig, verteidigte Mitglieder der RAF und wurde 1971 aus der SPD ausgeschlossen; 1978 trat er der DKP bei.
1965 erschien sein Album »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern«, dessen Titellied ihn berühmt machte. Er gilt als eine der Stimmen der 68er Bewegung. Viele seiner Lieder wurden zu Klassikern des politischen Liedes und wirkten »stilbildend auf eine ganze Generation deutscher Liedermacher« (Meyers Taschenlexikon Musik). 1970 erhielt er den Deutschen Schallplattenpreis, 1980 den Preis der deutschen Schallplattenkritik, 1983 den deutschen Kleinkunstpreis und 1986, 1988 sowie 1995 den Südwestfunk-Liederpreis.
Neben der Musik veröffentlichte er acht Romane, die überwiegend vergriffen sind. Bis 2013 will sie der Berliner Verlag Kulturmaschinen neu herausbringen. Zur Frankfurter Buchmesse erschienen seine ersten beiden Bücher »Zündschnüre« und »Brandstellen«. Sein Romandebüt »Zündschnüre« hielt sich 1973 mehrere Monate in der Spiegel-Bestsellerliste und wurde vom WDR verfilmt (Regie: Reinhard Hauff). Sein zweiter Roman »Brandstellen« wurde 1977 von der DEFA verfilmt (Drehbuch: Gerhard Bengsch, Regie: Horst E. Brandt). »Zündschnüre« ist ein Antifa-Abenteuerbuch über die Zeit von 1943–45 in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets, das Kinder wie Erwachsene begeistern kann. In locker verbundenen Episoden geht es um fünf proletarische Freunde, deren Väter im Krieg oder im KZ sind, ihre Schule ist ausgebombt. Sie kämpfen gegen die Nazis, und das Tolle ist: Ihnen geschieht nichts. Auf einer Stufe mit Peter Weiss und Christian Geissler entlarvt hier Degenhardt die Mainstreamlüge, daß man gegen den Faschismus nichts machen konnte, wenn man nicht sterben wollte. Manche der Kinder tauchen in »Brandstellen« zeitversetzt wieder auf, wenn es darum geht, in der bundesrepublikanischen Provinz der siebziger Jahre einen Campingplatz namens »Klein-Schweden« zu verteidigen, der einem NATO-Übungsplatz weichen soll.
Franz Josef Degenhardt starb am 14. November 2011 in Quickborn bei Hamburg. (jW)
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vom 16.11.2011