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Aus: Ausgabe vom 14.01.2012, Seite 16 / Aktion

Sanieren mit einer Mark

Noch eine Rettungsgeschichte: Wie Dietmar Bartsch die junge Welt rettete
Von Dietmar Koschmieder
Natürlich hat die junge Welt kein höh’res Wesen gerettet. Auch kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Sicher auch nicht der Linkspartei-Politiker Dietmar Bartsch. Der soll aber laut Bericht von Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung vom Freitag, 13. Januar 2012, nicht nur die junge Welt, sondern auch die SED-Nachfolgepartei gerettet haben – letztere gleich mehrmals. Immerhin läßt Autor Bernhard Honnigfort, der unter Brigitte Fehrle für die Dumont-Redaktionsgemeinschaft arbeitet, im Falle der SED-Nachfolgepartei durchklingen, daß der Retter auch noch ein paar Köche dabei hatte, als er diverse Angriffe auf die Partei zurückschlug. Heute wolle Bartsch in der Linkspartei als nächster Vorsitzender »Ordnung schaffen und dem Durcheinander Richtung geben, bevor sich alles verheddert«, loben die Zeitungen. Die nächste Rettungsgeschichte also, an deren Zustandekommen die Redaktionsgemeinschaft mitbasteln will und deshalb offensichtlich die Plaudereien des Retters ungeprüft übernimmt und auf kritische Nachfragen verzichtet.

Im Beitrag der Dumont-Zeitungen wird Bartsch zunächst in blumiger Sprache als pragmatischer, kühler Ökonom beschrieben. Und als »genau der, der damals gebraucht wurde«. Von wem und für was, steht leider nicht da. Damals, das waren die wichtigen Monate nach dem Mauerfall 1989. Weiter heißt es: »Er wurde Geschäftsführer des Verlags Junge Welt, der das ehemalige Blatt der FDJ herausgab. Er schwenkte im Hauruckverfahren von Planwirtschaft auf Kapitalismus um und rettete den maroden Betrieb. Es gibt sie heute noch, die Junge Welt. Das linksradikale Blatt haßt den Sanierer von einst abgrundtief und zieht bei jeder Gelegenheit über ihn her.« Frau Fehrle steht ein ganzes Redak­tionsteam für ihre Topstories für mehrere Zeitungen zur Verfügung – und dann wird so schlecht recherchiert? Denn tatsächlich wurde der ehemalige DDR-Verlag »Junge Welt« weder gerettet noch saniert. Er wurde knallhart zerschlagen. Bis heute ist ungeklärt, wieso die entlassenen Beschäftigten keine anständige Entschädigung, beispielsweise aus den nicht wenigen Immobilienwerten, erhalten haben, obwohl der Verlag eine GmbH war. Einzelne lukrative Produkte des Verlages krallten sich Westunternehmen, wie es damals üblich war. Die Junge Welt, in jenen Jahren noch immer eine Tageszeitung mit sechsstelliger verkaufter Auflage, also von großem Wert, wurde für eine Mark an einen kruden Westberliner Verleger privatisiert, unter dessen Anleitung die Zeitung dann Anfang April 1995 in den endgültigen Konkurs geschickt werden sollte. Mitarbeitende und Leserinnen und Leser lehnten sich dagegen auf, gründeten den Verlag 8. Mai GmbH und später die Genossenschaft LPG junge Welt eG. Um die schwierige Startphase der neuen Herausgeber der jungen Welt überstehen zu können, klopften sie auch bei Dietmar Bartsch an, der mittlerweile Kassenwart der PDS war. Legendär das Meeting mit dem Finanzchef der Genossen, bei dem er den um das Überleben kämpfenden jungeWelt-Mitarbeitern (darunter auch der Autor dieser Zeilen) ins Stammbuch schrieb, daß die junge Welt keinerlei Chance haben wird, wenn sie führende Genossen der PDS anpinkele. Wir baten damals um einen Kredit in Höhe von 60000 DM, Bartsch stellte nicht einmal die eine Mark zur Verfügung, die damals beim Verkauf der jungen Welt eingenommen wurde. Das war der tatsächliche Beitrag von Dietmar Bartsch zur Rettung der jungen Welt. Eine einzige Nachfrage hätte die Kollegen der Dumont-Zeitungen vor dieser peinlichen Zeitungsente bewahren können.


Ob Bartsch sich gefälliger verhalten hätte, wenn wir uns damals seinem Ansinnen offener gezeigt hätten, wissen wir nicht. Jedenfalls hassen wir den »Sanierer von einst« nicht abgrundtief, sondern sind ihm in gewisser Weise sogar dankbar. Denn nur weil er sich damals so ablehnend gezeigt hatte, können wir heute sagen, daß die PDS keinerlei Aktie am Überleben der jungen Welt nach 1995 hat. Und wahrscheinlich können wir nur deshalb heute als unabhängige Zeitung existieren, kann uns auch ein versteckter Anzeigenboykott der Linkspartei, mit dem wir es zur Zeit zu tun haben, nichts anhaben. Jedenfalls ziehen wir nicht über Bartsch her, nehmen uns aber die Freiheit, über sein Wirken zu berichten und es politisch einzuschätzen. Auch wenn ihm das bis heute nicht passen mag. Gefällige Berichterstattung überlassen wir lieber anderen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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