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26.08.2000 / Feuilleton

Staatsreligiöses Eierlaufen

Wie die große FAZ die vielgeliebte und tapfere kleine taz einmal für ganz überflüssig erklärte

Wiglaf Droste

Am 21. August brach die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland den Stab: Auf Seite 1 hieß es: »Die taz plakatiert ihre Titelseite mit den Köpfen von Rechtsradikalen: Ausdruck der Hilflosigkeit eines Blattes, das keiner mehr lesen muß.« Im Feuilleton wurde der FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld dann etwas ungenauer: »Die >Aktion Z<, Z wie Zivilcourage, ruft uns zum letzten Gefecht.« Stimmt das? Wirklich zum letzten Gefecht? Nicht zum vorletzten? Oder geht es möglicherweise um etwas anderes? »Es ist die letzte Bataille eines Blattes«, repetierte Hanfeld, »das auch mit der siebten oder achten Abo-Kampagne nicht auf die Auflage von 60 000 Exemplaren kommt, die es zum Überleben braucht, und das sich wie die "Zeit" fragen muß, ob dieselbe nicht an ihr vorübergegangen ist.«

Wer möchte nicht dabeisein, wenn die "Zeit" sich fragt, ob sie nicht quasi an sich selbst vorüberläuft? Doch Hanfeld kann nicht nur Französisch und Parapsychologie, sondern auch staatsreligiös Eierlaufen: »Den Glauben an den Staat, an Justiz und Polizei muß man bereits verloren haben, um eine solche Aktion gutzuheißen.« Das ist ja schlimm, das ist ja schrecklich: kein Glauben mehr an Staat, Justiz und Polizei! Kommt jetzt die Anarchie? Das möge Gott verhüten, oder doch wenigstens die FAZ. Seinen lustigen Glauben an Staat, Justiz und Polizei kann Michael Hanfeld ganz prima in seine eigene Zeitung einwickeln.

Munter geht das Daumen-hoch-Daumen-runter-Spielchen. Redakteure, die noch vor ein paar Monaten schrien, daß sie ohne die taz nicht weiterleben könnten noch wollten, erzählen nun das Gegenteil. Ob sie ihres eigenen Geschwätzes überdrüssig geworden sind? Das wäre allerdings ein Wunder. Daß Gerhard Schröders DVU-kompatibler Bild-Zeitungs- Krakeel »Kriminelle Ausländer müssen raus, und zwar schnell!« in der taz auf Verständnis stieß, hat keinen FAZ- Redakteur veranlaßt, die taz für überflüssig zu erklären. Als die NATO Bomben auf die jugoslawische Zivilbevölkerung warf und die taz an ihrer eigenen Kriegspropaganda ganz besoffen war, hat das die FAZ nicht gestört. Und als der Big-Brother- und Love Parade-Experte der taz über den »hinter seiner Lustigkeit eigentlich unglaublich aggressiven Nihilismus von Eckhard Henscheid« herumchristete, sprang keine FAZ hinzu und zieh die taz der Idiotie. Da muß dann schon eine - sicherlich dubiose, sicherlich nutzlose und ganz sicher peinliche, weil selbstbeweihräucherische - Kampagne gegen Nazis kommen, damit ein FAZ-Redakteur aus dem Knick kommt und richtig böse wird.

Klar ist die taz überflüssig - über welche Zeitung ließe sich denn anderes sagen? Muß man wissen, wie die FAZ ihre Rückkehr zur alten Rechtschreibordnung als deutsche Kulturgroßtat feiert? Wie Günter Grass und Martin Walser Hurra schreien, weil sie ihren ranzigen Stiefel so weitermachen dürfen, wie sie's gewöhnt sind? Wie Durs Grünbein die deutsche Sprache, deren Regeln er zwar nicht versteht, trotzdem zu seiner »Mutter« verklärt? Das alles kann man in der FAZ erfahren, und es hat, wenn auch unbeabsichtigt, einen gewissen Unterhaltungswert. Ist es deshalb unverzichtbar?

Dem hartnäckigen Aberglauben an die eigene Unverzichtbarkeit hängen nicht nur FAZ-Redakteure an. Eine Zeitschrift kann das sogar noch besser: konkret - das Blatt, das lesen muß, wer unbedingt erfahren will, mit welcher Dritte-Welt-Gruppe in Münster es aber sowas von unnachgiebig zerstritten ist, und wen es interessiert, welchen Verlagen und Fernsehredaktionen Herausgeber Gremliza wieder heldenhaft eine gepfefferte Ablehnung gefaxt hat. Mit einem dröhnenden »Keine Sorge: Marmor, Stein und Eisen bricht, aber dieses Bollwerk nicht«, klopfte sich konkret im Juli pat-pat auf die eigene Schulter. Und es stimmt: Wer Durchhalteparolen und unüberbietbar peinliches Selbstlob gern hat, kommt ohne konkret nicht aus.

Wenn die taz demnächst den Laden dichtmachte, wäre das keine publizistische Tragödie. Jede Lücke - von der Zahnlücke vielleicht einmal abgesehen - ist erfreulicher als alles, was sie füllt. Wäre das den taz-Leuten klar, sie könnten ihr eigenes Verschwinden stilvoll zelebrieren. Damit hätten sie ihren langweiligen Beerdigungsherbeirednern einiges voraus.

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