Aus: Ausgabe vom 11.08.2012, Seite 3 / Schwerpunkt
Chronik eines Pogroms
– Bereits im Sommer 1991 bezeichnet ein Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen die Zustände in der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) Rostock als »nicht haltbar«. Der SPD-Innensenator der Hansestadt verweigert aber zusätzliche Toiletten und Wohnraum. Die Flüchtlinge wurden immer wieder von deutschen Jugendlichen bedroht.
– Ab Februar 1992 werden auf den Leserbriefseiten der Lokalpresse die rumänischen Flüchtlinge wiederholt als Kriminelle stigmatisiert und Verteilungsängste wachgerufen.
– Ab Juni mobilisieren Neonazis in der Stadt, darunter die »Hamburger Liste für Ausländerstopp«. Die DVU führt eine Veranstaltung in der Rostocker Innenstadt durch, 23 linke Gegendemonstranten werden festgenommen.
– Im August häufen sich die Übergriffe auf Flüchtlinge. Die Lokalpresse gibt anonymen Aufrufern eine Plattform: »In der Nacht vom Samstag zum Sonntag räumen wir in Lichtenhagen auf. Das wird eine heiße Nacht.«
– Am Sonnabend, 22. August, versammeln sich mehrere tausend Menschen vor dem »Sonnenblumenhaus«, in dem sich die ZASt befindet, um gegen die Flüchtlinge zu demonstrieren. Ab dem frühen Abend fliegen Steine, Flaschen, Leuchtraketen und Brandsätze. Vermummte rufen »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« und »Sieg Heil«. Die Polizei schickt 20 Polizisten in Sommeruniform, die sofort vertrieben werden.
– Am Sonntag, 23. August, sind wiederum Tausende vor Ort. Anwohner klatschen Beifall, bieten den Aggressoren Schutz und versorgen sie mit Imbißständen. Die Polizei ist mit 350 Mann vor Ort. Von den 200 Teilnehmern einer nächtlichen Gegendemo werden 60 festgenommen.
– Am Montag, 24. August, werden die Asylsuchenden in andere Städte evakuiert. Abends versammeln sich wiederum Tausende vor dem benachbarten Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter. Der Polizeichef fährt nach Hause. Die verbleibenden drei Hundertschaften erhalten weder Verstärkung durch den Landespolizeichef noch vom Bundesgrenzschutz. Sie ziehen sich zurück, als die Menge weiter anschwillt. Im Wohnheim wird vom Mob Feuer gelegt. Die Feuerwehr kann wegen fehlenden Polizeischutzes erst eineinhalb Stunden nach ihrem Eintreffen mit den Löscharbeiten beginnen. 120 Bewohner und einige Deutsche, darunter Unterstützer und ein Fernsehteam, retten sich in letzter Minute über das Dach. Nach ihrer Rettung werden sie evakuiert, Rostock-Lichtenhagen ist ausländerfrei.
– Für eine Demonstration von 15000 Antifaschisten in Rostock am 29. August unter dem Slogan »Stoppt die Pogrome!« stehen 3000 Beamte zur Verfügung
(uj)
– Ab Februar 1992 werden auf den Leserbriefseiten der Lokalpresse die rumänischen Flüchtlinge wiederholt als Kriminelle stigmatisiert und Verteilungsängste wachgerufen.
– Ab Juni mobilisieren Neonazis in der Stadt, darunter die »Hamburger Liste für Ausländerstopp«. Die DVU führt eine Veranstaltung in der Rostocker Innenstadt durch, 23 linke Gegendemonstranten werden festgenommen.
– Im August häufen sich die Übergriffe auf Flüchtlinge. Die Lokalpresse gibt anonymen Aufrufern eine Plattform: »In der Nacht vom Samstag zum Sonntag räumen wir in Lichtenhagen auf. Das wird eine heiße Nacht.«
– Am Sonnabend, 22. August, versammeln sich mehrere tausend Menschen vor dem »Sonnenblumenhaus«, in dem sich die ZASt befindet, um gegen die Flüchtlinge zu demonstrieren. Ab dem frühen Abend fliegen Steine, Flaschen, Leuchtraketen und Brandsätze. Vermummte rufen »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« und »Sieg Heil«. Die Polizei schickt 20 Polizisten in Sommeruniform, die sofort vertrieben werden.
– Am Sonntag, 23. August, sind wiederum Tausende vor Ort. Anwohner klatschen Beifall, bieten den Aggressoren Schutz und versorgen sie mit Imbißständen. Die Polizei ist mit 350 Mann vor Ort. Von den 200 Teilnehmern einer nächtlichen Gegendemo werden 60 festgenommen.
– Am Montag, 24. August, werden die Asylsuchenden in andere Städte evakuiert. Abends versammeln sich wiederum Tausende vor dem benachbarten Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter. Der Polizeichef fährt nach Hause. Die verbleibenden drei Hundertschaften erhalten weder Verstärkung durch den Landespolizeichef noch vom Bundesgrenzschutz. Sie ziehen sich zurück, als die Menge weiter anschwillt. Im Wohnheim wird vom Mob Feuer gelegt. Die Feuerwehr kann wegen fehlenden Polizeischutzes erst eineinhalb Stunden nach ihrem Eintreffen mit den Löscharbeiten beginnen. 120 Bewohner und einige Deutsche, darunter Unterstützer und ein Fernsehteam, retten sich in letzter Minute über das Dach. Nach ihrer Rettung werden sie evakuiert, Rostock-Lichtenhagen ist ausländerfrei.
– Für eine Demonstration von 15000 Antifaschisten in Rostock am 29. August unter dem Slogan »Stoppt die Pogrome!« stehen 3000 Beamte zur Verfügung
(uj)
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