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05.10.2000 / Ausland

»Welchen Bruder meinen Sie?«

In Guatemala stehen General Efrain Montt und Bischof Mario Rios Montt im Rampenlicht

Der guatemaltekische Bischof Mario Rios Montt mag es nicht, nach seinem Bruder gefragt zu werden. »Manchmal sagen mir die Leute, ich solle meinen Bruder grüßen. Ich frage dann immer: >Welchen?<. Wir sind so viele.« Aber gemeint ist immer nur einer - der General Efrain Rios Montt, eine der schillerndsten Figuren der jüngeren Geschichte des kleinen, mittelamerikanischen Landes Guatemala. »Mein Bruder ist mein Bruder«, beteuert der General. »Wir sind Söhne derselben Mutter und desselben Vaters. Er ist Katholik, ich bin Christ. Er hat eine Funktion und einen Beruf, ich habe eine andere Funktion und einen anderen Beruf. Aber wir sind treu und wir gehorchen dem Gesetz.«

Bischof Mario Rios Montt ist Vorsitzender des katholischen Menschenrechtszentrums in Guatemala. In diesem Amt stößt er fast täglich auf den Namen seines Bruders. Der gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die Kriegsverbrechen, die während des guatemaltekischen Bürgerkriegs begangen wurden. »Wenn wir außer dem Nachnamen irgendwas gemeinsam haben sollten, dann sind das wohl einige Prinzipien, die uns zu Hause beigebracht wurden«, meint der Bischof. Mario und Efrain Rios Montt haben elf weitere Geschwister. Sie sind in dem kleinen Ort Huehuetenango aufgewachsen. Dort gab es früher keine Möglichkeit, eine höhere Bildung zu bekommen. Mario Rios Montt wurde in ein Stipendienprogramm der katholischen Kirche aufgenommen. Er machte Karriere innerhalb der Institution. Sein sechs Jahre älterer Bruder Efrain schloß sich der Armee an, in der er eine Eliteausbildung genoß. Unter anderem studierte er in der berüchtigten Militärakademie »School of the Americas« im US-Bundesstaat Georgia. Gleichzeitig übernahm er als charismatische Prediger eine Führungsrolle in der rasch wachsenden evangelikalen Bewegung Guatemalas.

Im März 1982 kam Efrain Rios Montt durch einen Putsch an die Macht. Während seiner fünfzehnmonatigen Herrschaft zerstörte die guatemaltekische Armee Hunderte Dörfer der Mayabevölkerung. In seinen wöchentlichen Ansprachen zur Lage der Nation predigte der fromme Diktator: »Ich bringe nicht die Indios um, sondern den kommunistischen Dämon. Die Indios bringe ich in den Himmel.«

Heute behauptet General Rios Montt, er habe von den Gewalttaten nichts gewußt: »Als Staatschef habe ich mit den Ministern gesprochen. Ich habe ihnen Anweisungen gegeben, die sie ausgeführt haben. Ich war kein Kommandant einer Truppe. Ich war Staatsoberhaupt.«

Das Menschenrechtszentrum, dem Bischof Mario Rios Montt vorsteht, hat vor zwei Jahren den Bericht »Guatemala - Nie Wieder« veröffentlicht. Darin wird die Armee für einen Großteil der Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. Der Bericht dokumentiert zahlreiche Zeugenaussagen über die Gewalttaten der Militärdiktatur. Mario Rios Montt bemüht sich darum, den Bericht über die Kriegsverbrechen international bekannt zu machen. Doch an Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen der Kriegsverbrechen hat der Bischof kein Interesse. Ihm ist vor allem wichtig, daß die Wahrheit bekannt wird.

Andere Gruppen nutzen den Bericht des katholischen Menschenrechtszentrums als Beweismittel gegen den General Efrain Rios Montt. Zum Beispiel klagt ihn die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu vor nationalen und internationalen Gerichten an, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Der General aber versichert, er habe bloß seine Pflicht getan: »Während des Kriegs hatten wir eine Militärdoktrin und eine Verfassung. Damals hatte die Subversion schon fast die Macht übernommen. Ich habe das Gesetz durchgesetzt. Die damalige Verfassung schrieb vor: Guatemala ist ein antikommunistisches Land.«

Efrain Rios Montt ist bis heute eine der einflußreichsten Personen sowohl in der guatemaltekischen Politik als auch in der evangelikalen Bewegung. Viele seiner Reden gleichen mehr den Predigten eines fundamentalischen Pastors als den Äußerungen eines Politikers. Diese Mischung aus Moral und Autorität stößt in großen Teilen der guatematekischen Gesellschaft auf Zustimmung. Als Kongreßpräsident besetzt der General heute wieder eines der mächtigsten Ämter des Staats. Angeblich macht er sich keine großen Sorgen wegen der Anschuldigungen gegen seine Person: »Die Geschichte wird urteilen. Eins ist sicher: Ich habe ein ruhiges Gewissen.«

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