Aus: Ausgabe vom 22.05.2013, Seite 12 / Feuilleton
Welcher Muskel ist Wagners Ring?
Jubiläen sind was für Buchhalter, und so würde das 200. Wiegenfest Richard Wagners heute nicht ordnungsgemäß begangen ohne den Hinweis auf eine Studie, die Ende 2012 im Göttinger Psychosozial-Verlag erschienen ist. »Richard Wagner. Der Ring des Nibelungen« heißt sie, hat ihren Gegenstand also nicht exklusiv. Wagner hat diesen Ring mal ein »Börsenportefeuille« genannt, in der Göttinger Studie wird er nun einem Muskel zuerkannt. Autor Bernd Oberhoff, Dozent für Soziale Therapie an der Universität Kassel und Kammerchorleiter, argumentiert anhand mitabgedruckter Notenbeispiele. Seine Deutung der Vorgänge im unterirdischen Nibelheim, in dem der Ring geschmiedet wird, seien »für einige Leser unglaublich, vielleicht sogar erschreckend«, schickt er vorweg, und bestimmt die Nibelheimer Tonfolgen – »kleiner Sekundschritt nach oben«, »nach unten schleudernde Septime«, »träge kriechende Baßfigur« – als frühkindliche Erfahrungen mit der Darmtätigkeit. »Auf der Ebene des Körper-Ichs, auf die uns Wagner zusammen mit dem Abstieg nach Nibelheim geführt hat, ist der Ring weder ein Armreif noch ein Schmuckring, sondern jenes machtvolle Herrschaftsinstrument am Ausgang des Anus: der Sphinkterring. Das ihm zugeordnete Leitmotiv läßt daran keinen Zweifel.« (xre)
Mehr aus: Feuilleton
-
Der Flaneur
vom 22.05.2013 -
Imagerisiken mit Nebenwirkungen
vom 22.05.2013 -
Achseln zucken, heiser flüstern. Ein Kriminalroman
vom 22.05.2013 -
Wie weit ist das von hier?
vom 22.05.2013 -
Vorschlag
vom 22.05.2013 -
Nachschlag: Gabriel-Demagogie
vom 22.05.2013