Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 03.12.2013, Seite 13 / Feuilleton

Neuss für immer

Man lebt nur ab, um zu leben. Man lebt immer, immer, immer« – sprach Wolfgang Neuss, der heute vor 90 Jahren in Breslau geboren wurde. Angeblich kam er mit 15 nach Berlin, um Clown zu werden. Hat er auch geschafft, später in den 50er Jahren, mit seinem Partner Wolfgang Müller. Nach dessen Tod (Flugzeugabsturz 1960) wurde er in den 60er Jahren Deutschlands bekanntester Kabarettist, voll auf Pille, Alkohol und Witz (»Ich steh an der Rennbahn, bücke mir, Schnürsenkel binden, kommt einer und sattelt mir – zweeter jeworn«).

Weil er sich über Revisionisten, Pickelhauben und Wiedervereinigungswoller belustigte, machte ihm der Mainstream, für den sich er in Theater, Fernsehen und Kino den Arsch abspielte, mehr und mehr zu schaffen. Im CDU-Staat war Neuss als »kleiner eifernder Mensch« (Quick 1966), bzw. als »grob sinnlich und vulgär und auch zu fett« (F. J. Degenhardt) und vor allem als viel zu intelligent auf den Bundespressebällen, »Bambi«-Verleihungen und Matineen der Funkausstellung nicht mehr gern gesehen. Konsequent zog er nach links, in die Republikanischen Clubs, wo er als »Mann mit der Pauke« auftrat.


In den 70ern, als das Wort »Freak« noch sehr positiv besetzt war, kamen die Leute direkt in seine Wohnung in Berlin-Charlottenburg, wo er bis zu seinem Tod im Mai 1989 den weltpolitisch tiefenentspannten Schamanen gab. Nur ab und zu machte er ein paar Ausflüge ins Fernsehen, auf die Bühne und in die Presse, um »meine lieben goldenen Mitmenschen« zu unterhalten – weg vom Berlinisch-Direkten und hin zu einem genial-assoziierten Wortgeklingel auf der Metaebene für Ein- und Aussteiger. Wenn Kinder wählen dürften, würden sie ihn zum Bundespräsidenten wählen, sagte er bei einem berühmten TV-Talkshowauftritt 1983 Richard von Weizsäcker. (jW)

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