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Aus: Ausgabe vom 18.01.2014, Seite 16 / Aktion

Information als Waffe

10000 oder 50000? Jedes Jahr lügen bürgerliche Medien die Teilnehmerzahlen der Liebknecht-Luxemburg-Kundgebung herunter
Von Dietmar Koschmieder
Mal rasch Zehntausende übersehen: Klassenbewußte Link
Mal rasch Zehntausende übersehen: Klassenbewußte Linke in Friedrichsfelde (hier 2011)
Es ist die größte regelmäßige antikapitalistische Manifestation im deutschsprachigen Raum: Jährlich gedenken am zweiten Januarsonntag 50000 bis 100000 Menschen der revolutionären Mitgründer der KPD, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Anfang der 90er Jahre machte man sich in allen Medien über diese »Erscheinung« lächerlich. Ein Auslaufmodell, ein biologisches Problem sei das: Wenn erst einmal die letzten Kommunisten weggestorben sind, wird es diese Art von Aufmarsch in der neuen alten deutschen Hauptstadt nicht mehr geben. Auch um dem entgegenzuwirken, startete die junge Welt 1996 die Rosa-Luxemburg-Konferenzen und hat sie bewußt auf den Tag vor dieser wichtigen Veranstaltung gelegt.

Seit 24 Jahren wird nun die LL-Kundgebung nicht mehr staatlich organisiert. Der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden existiert nicht mehr. Die große antikapitalistische Manifestation im Januar aber hat Bestand. Daran konnten weder rabiate Übergriffe der Polizei noch Bombendrohung noch Spalterdemos etwas ändern. Ursache für die Lebendigkeit dieser Tradition ist aber nicht nur das Bedürfnis nach Würdigung der Lebensleistung von Liebknecht, Luxemburg und anderen Genossinnen und Genossen – sondern vor allem die wachsende Unzufriedenheit mit bestehenden Verhältnissen, die Wut auf das überlebte kapitalistische System, die Hoffnung auf eine gerechtere Zukunft.

Lächerlich macht man sich heute nicht mehr über diesen Fakt. Unterdrücken kann man auch, in dem man Information unterdrückt. Oder wichtige mit unwichtigen Meldungen vertauscht. So wird in der Berliner und anderen Zeitungen hervorgehoben, wie sich am Sonntag Klaus Lederer, Vorsitzender der Berliner Partei Die Linke, schützend vor zwei Antistalinisten stellt. Aber auch vor Lügen schreckt man nicht zurück: Die Zahl der Teilnehmenden an Kundgebung und Demonstration wird heruntergelogen. In diesem Jahr allerdings frecher als sonst. Obwohl die Gedenkstätte am letzten Sonntag besonders gut besucht war, meldete die Berliner Zeitung am Montag, daß im Laufe des Tages nach Angaben der Polizei 8000, nach Angaben der Partei Die Linke 10000 Menschen in Friedrichsfelde gewesen wären. Auch das Neue Deutschland behauptet in seiner Montagausgabe, daß »rund 10000 Linke aus ganz Deutschland (…) an den Gedenkveranstaltungen« teilgenommen hätten. Der Schreiber dieser Zeilen traf kurz nach 10 Uhr am Friedhof ein – zu diesem Zeitpunkt waren dort mindestens 20000 Personen im stillen Gedenken versammelt. Später stieß der Demonstrationszug mit mindestens weiteren 10000 Menschen hinzu. Und wie immer strömten darüber hinaus von den frühen Morgenstunden bis zum Nachmittag viele Menschen zum Ehrenhain. Es waren mindestens 50000 Teilnehmende, es können aber auch gut 80000 gewesen sein.

Bleibt die Frage, wieso seit Jahren hinsichtlich der Zahl der Teilnehmenden an diesen Veranstaltungen so offensichtlich gelogen wird. Ein Grund könnte darin liegen, daß alles, was auf ein Erstarken linker, gar revolutionärer Bewegung im Lande hinweist, ganz bewußt verschwiegen werden soll. So wie man eine beliebige Strömung durch einschlägige Berichterstattung großschreiben kann, gibt es auch Erfahrungen, wie man ganze Bewegungen medial kleinmacht. Medien sind Herrschaftsinstrumente, werden im Interesse einer Klasse eingesetzt. Weshalb wir über die bürgerlichen nicht verfügen und weshalb wir eigene klassenbewußte Medien so dringend benötigen. Und damit auch die junge Welt künftig nicht mehr undeutlich von Zehntausenden Teilnehmenden sprechen muß, sollten wir gemeinsam mit Unterstützern bei wichtigen Demonstrationen eine unabhängige Zählkommission einrichten. Denn Informationen sind Waffen im Klassenkampf.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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