Aus: Ausgabe vom 16.07.2014, Seite 3 / Schwerpunkt
Täglicher Kampf ums Überleben
Von Karin Leukefeld
Im August sind es neun Jahre, daß sich die israelischen Besatzungstruppen überraschend aus dem Gazastreifen zurückgezogen haben. Die umfassende Bedrohung und Kontrolle gab Israel allerdings auch nach 2005 nie auf. Die Bewegungsfreiheit der Bewohner des Küstenstreifens war bereits 1989 durch die Einführung von Magnetkarten eingeschränkt worden. Nur wer eine solche Karte erhielt, durfte formal den Gazastreifen verlassen. Für ehemalige Gefangene und Betroffene von Administrativhaft oder Gefangene ohne Anklage und Verfahren galt das nicht. Seit Januar 1991 blieben die Grenzübergänge in den Gazastreifen grundsätzlich geschlossen, wer eine Magnetkarte hatte und reisen wollte, mußte einen Antrag stellen. 1993 wurden Grenzposten gebaut, die mit Kamerasystemen zu wahren Festungen aufgerüstet wurden. Neben der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der in Gaza lebenden 1,8 Millionen Palästinenser wurden auch Handelsgüter oft tage- und wochenlang an den Grenzen gestoppt. Jahr für Jahr dachten sich die israelischen Besatzungsbehörden neue Schikanen für die Eingesperrten aus. Im Jahr 2000 wurde der internationale Flughafen von Gaza geschlossen, 2001 wurde der mit EU-Mitteln finanzierte Airport durch einen Luftangriff zerstört. Aus »Sicherheitsgründen« wurden die Grenzübergänge aus dem palästinensischen Gazastreifen mit »Pufferzonen« ausgeweitet.
Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) kritisierte die Maßnahme, weil damit die »wirtschaftliche und humanitäre Lage der Palästinenser« enorm verschlechtert wurde. Einem UNCTAD-Bericht vom Januar 2003 war zu entnehmen, daß die palästinensische Ökonomie durch die israelische Belagerungspolitik in einen »Status der Rückentwicklung« gezwungen worden war. 2006 verhängte Israel weitere wirtschaftliche Sanktionen gegen die Palästinenser, 2007 wurde der Belagerungsring um den Gazastreifen geschlossen. Die Lieferung von Öl, Gas und Strom wurde eingeschränkt. Ägypten unterstützte zeitweise die israelischen Strafmaßnahmen, indem es den Grenzübergang Rafah schloß. Im August 2008 erreichten erstmals zwei Boote der »Free Gaza«-Bewegung einen palästinensischen Hafen mit Hilfsgütern. Die israelische Armee hatte den Booten die Durchfahrt in die von Tel Aviv verhängte Seeblockade genehmigt. Bei einer weiteren Fahrt zur Jahreswende 2008/2009 wurde das »Free Gaza«-Schiff »Dignity« (Würde) von der israelischen Marine in internationalen Gewässern angegriffen, alle Passagiere an Bord wurden verhaftet. Unmittelbar darauf begann der Krieg gegen Gaza (2008/2009).
Gleichzeitig gelang es dem bewaffneten Flügel der Hamas, den Kassam-Brigaden und den gut ein Dutzend anderen militärisch operierenden Gruppen im Gazastreifen immer wieder, Waffen in den schmalen Küstenstreifen zu schmuggeln beziehungsweise selber zu bauen. Das Recht auf Selbstverteidigung der Palästinenser wird von Israel nicht akzeptiert.
Dem Krieg 2008/2009 folgten weitere Angriffe, selten vergeht eine Woche, in der nicht israelische Kampfjets, Armee oder Marine Land und Leute in Gaza attackieren. Die permanenten Angriffe und die aufgezwungene tägliche Todesangst führen nach Ansicht von Psychologen zu einer tiefen »mentalen gesundheitlichen Krise«. 1,8 Millionen Menschen lebten in einer »ständigen Angst«, meint die Psychologin Rana Nashashibi vom Palästinensischen Beratungszentrum in Gaza-Stadt. Das daraus resultierende Gefühl der Machtlosigkeit sei »Teil der psychologischen Kriegsführung Israels gegen die Palästinenser«. Konventioneller Krieg gehe immer einher mit psychologischer Kriegsführung, sagte die Psychologin der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan News. »Das Hauptziel ist, den Menschen ein Gefühl von Hilflosigkeit (…) zu vermitteln. Sie sagen: Wir haben die Macht und können euch das alles antun.« Erwachsene und Kinder im Gazastreifen seien in hohem Maße traumatisiert, die Menschen seien »ermüdet vom täglichen Kampf zu überleben«.
Die UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) bezifferte nach dem Gaza-Krieg 2012 den Anstieg von posttraumatischen Erkrankungen um 100 Prozent. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF berichtete, daß 91 Prozent der Kinder unter Schlafstörungen litten. Die permanente Angst führe zu Konzentrationsmangel, die emotionale und intellektuelle Entwicklung werde gestört. »Wenn man Raketen auf schlafende Menschen abschießt, heißt das doch: Ihr könnt uns nicht entkommen«, so Rana Nashashibi. »Und selbst wenn man weglaufen könnte, wohin sollte man laufen? Gaza ist ein großes Gefängnis.«
Das Ausmaß von Gewalt, das die israelischen Streitkräfte den Palästinensern zufügten, sei auch für Israel selbst eine Gefahr, so die Psychologin: »Diese Soldaten sind voller Haß. Sie hassen nicht nur die Palästinenser, ihr Haß wird auch ein Problem für ihr eigenes Leben und ihre eigene Gesellschaft sein.«
Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) kritisierte die Maßnahme, weil damit die »wirtschaftliche und humanitäre Lage der Palästinenser« enorm verschlechtert wurde. Einem UNCTAD-Bericht vom Januar 2003 war zu entnehmen, daß die palästinensische Ökonomie durch die israelische Belagerungspolitik in einen »Status der Rückentwicklung« gezwungen worden war. 2006 verhängte Israel weitere wirtschaftliche Sanktionen gegen die Palästinenser, 2007 wurde der Belagerungsring um den Gazastreifen geschlossen. Die Lieferung von Öl, Gas und Strom wurde eingeschränkt. Ägypten unterstützte zeitweise die israelischen Strafmaßnahmen, indem es den Grenzübergang Rafah schloß. Im August 2008 erreichten erstmals zwei Boote der »Free Gaza«-Bewegung einen palästinensischen Hafen mit Hilfsgütern. Die israelische Armee hatte den Booten die Durchfahrt in die von Tel Aviv verhängte Seeblockade genehmigt. Bei einer weiteren Fahrt zur Jahreswende 2008/2009 wurde das »Free Gaza«-Schiff »Dignity« (Würde) von der israelischen Marine in internationalen Gewässern angegriffen, alle Passagiere an Bord wurden verhaftet. Unmittelbar darauf begann der Krieg gegen Gaza (2008/2009).
Gleichzeitig gelang es dem bewaffneten Flügel der Hamas, den Kassam-Brigaden und den gut ein Dutzend anderen militärisch operierenden Gruppen im Gazastreifen immer wieder, Waffen in den schmalen Küstenstreifen zu schmuggeln beziehungsweise selber zu bauen. Das Recht auf Selbstverteidigung der Palästinenser wird von Israel nicht akzeptiert.
Dem Krieg 2008/2009 folgten weitere Angriffe, selten vergeht eine Woche, in der nicht israelische Kampfjets, Armee oder Marine Land und Leute in Gaza attackieren. Die permanenten Angriffe und die aufgezwungene tägliche Todesangst führen nach Ansicht von Psychologen zu einer tiefen »mentalen gesundheitlichen Krise«. 1,8 Millionen Menschen lebten in einer »ständigen Angst«, meint die Psychologin Rana Nashashibi vom Palästinensischen Beratungszentrum in Gaza-Stadt. Das daraus resultierende Gefühl der Machtlosigkeit sei »Teil der psychologischen Kriegsführung Israels gegen die Palästinenser«. Konventioneller Krieg gehe immer einher mit psychologischer Kriegsführung, sagte die Psychologin der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan News. »Das Hauptziel ist, den Menschen ein Gefühl von Hilflosigkeit (…) zu vermitteln. Sie sagen: Wir haben die Macht und können euch das alles antun.« Erwachsene und Kinder im Gazastreifen seien in hohem Maße traumatisiert, die Menschen seien »ermüdet vom täglichen Kampf zu überleben«.
Die UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) bezifferte nach dem Gaza-Krieg 2012 den Anstieg von posttraumatischen Erkrankungen um 100 Prozent. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF berichtete, daß 91 Prozent der Kinder unter Schlafstörungen litten. Die permanente Angst führe zu Konzentrationsmangel, die emotionale und intellektuelle Entwicklung werde gestört. »Wenn man Raketen auf schlafende Menschen abschießt, heißt das doch: Ihr könnt uns nicht entkommen«, so Rana Nashashibi. »Und selbst wenn man weglaufen könnte, wohin sollte man laufen? Gaza ist ein großes Gefängnis.«
Das Ausmaß von Gewalt, das die israelischen Streitkräfte den Palästinensern zufügten, sei auch für Israel selbst eine Gefahr, so die Psychologin: »Diese Soldaten sind voller Haß. Sie hassen nicht nur die Palästinenser, ihr Haß wird auch ein Problem für ihr eigenes Leben und ihre eigene Gesellschaft sein.«
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