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Aus: Ausgabe vom 27.10.2014, Seite 11 / Feuilleton

Eine Stunde

Von Dusan Deak

Deutschland leidet unter Angst. Zur Angst vor Terror und Ebola gesellt sich akut die Angst vor Zeitumstellung. Wir mussten es am Wochenende wieder erleben: Über Nacht bekommt man eine »geschenkte« (schon eher aufgezwungene) oder »gesparte« (eher geklaute) Stunde, mit der keiner was anfangen kann.

Die Gründe sind unbekannt, das Phänomen wenig erforscht. Trotz intensiver Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist es den Geheimdiensten nicht gelungen, die Veursacher der Zeitumstellung herauszufinden. Einige vermuten das Werk von Außerirdischen, andere die Deutsche Bahn. Der Versuch, Winter- und Sommerzeit mit Hilfe von Gartenzwergen zu erklären taugt auch nicht. Im Frühjahr werden Gartenzwerge vor das Haus gestellt, im Winter zurück ins Haus.

Der Vorschlag der sogenannten Arbeitgeber, die Zeit permanent und abhängig von der Nachfrage rotieren zu lassen, stößt bei den Beschäftigten auf wenig Gegenliebe. Viele Bürger versuchen nun die »gewonnene« Stunde gegen igend etwas, das sie verloren haben, im Fundbüro einzutauschen oder an die Oma weiter zu verschenken.

Andere s begeben sich mit Marcel Proust auf die »Suche nach der verlorenen Zeit«. Obwohl das Leben hierfür eigentlich zu kurz ist, wie Anatol France schon 1913 bemerkte. Doch die kommenden Herbst- und Wintertage sind gewiss noch viel kürzer.

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