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Aus: Ausgabe vom 05.05.2015, Seite 9 / Kapital & Arbeit

Zerrissene Familienbande

600.000 Angestellte blicken nach Hannover: Hauptversammlung der Volkswagen AG im Zeichen der Rangeleien innerhalb der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch
Von Klaus Fischer
Da waren sie noch zu Scherzen aufgelegt: Der damalige VW-Chefauf
Da waren sie noch zu Scherzen aufgelegt: Der damalige VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch (l.) und sein Vetter Wolfgang Porsche 2009 in Hamburg

Die Volkswagen AG bittet ihre Aktionäre zum jährlichen Treffen. Am heutigen Dienstag versammeln sich die Anteilseigner des größten Automobilherstellers Europas in Hannover, um Bilanz zu ziehen und die künftigen Vorhaben der Konzernleitung abzusegnen. »Vom Programm her wird es eine richtig langweilige Hauptversammlung« kündigte ein »Konzerninsider« am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa an. Doch das ist schwer zu glauben. Denn mindestens die 600.000 Arbeiter und Angestellten des Riesenkonzerns werden mit Argwohn nach Hannover schauen. Das Unternehmen lenkt seit Wochen wegen Streitereien und Machtkämpfen die Aufmerksamkeit auf sich.  Die Querelen wurden bislang vor allem über die Medien ausgetragen, der Aufsichtsrat und dessen Präsidium versuchten mit nur mäßigem Erfolg, die Wogen zu glätten. Im Mittelpunkt dieses PR-Desasters stehen die Porsche-Eigentümer, eine bislang durch starke Familienbande verbundene Sippe. Die Porsches und Piëchs, beide Nachkommen des »genialen Konstrukteurs« (er soll den VW-Käfer entwickelt haben) Ferdinand Porsche, kontrollieren mehr als 50 Prozent der stimmberechtigten VW-Aktien – und sind inzwischen offenbar uneins.

Auslöser war eine verbale Kündigungsdrohung. »Konzernpatriarch« und Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch hatte die an seinen angestellten Vorstandschef Martin Winterkorn gerichtet, wurde über Medien der Spiegel-Gruppe transportiert, und bewirkte zunächst zweierlei: Die Öffentlichkeit zeigte sich ziemlich genervt wegen der zwar hinlänglich bekannten, diesmal aber vermeintlich übertriebenen Gutsherrenart Piëchs. Das führte im Aufsichtsrat zu einer interessanten Koalition: Die »Arbeitnehmerseite« und Niedersachsens Regierung verbündeten sich mit dem Porsche-Zweig des Familienkonglomerats. Ergebnis: Piëch trat vom Aufsichtsratsvorsitz zurück und verließ das Kontrollgremium. Seine Frau Ursula nahm er gleich mit. Die saß seit 2012 ebenfalls in dem erlauchten Kreis.

Noch am Montag sah es so aus, als seien die Fragen, hält der »Alte« (Piëch) jetzt still und wer wird neuer Aufsichtsratschef, wichtiger als das erklärte Konzernziel, den (ebenfalls patriarchalisch geführten) japanischen Konkurrenten Toyota von der Spitzenposition unter den Automobilherstellern zu verdrängen. Um das Kontrollgremium vor der Hauptversammlung aufzufüllen, wurden kurzerhand zwei Nichten Piëchs, Louise Kiesling (57) und Julia Kuhn-Piëch (34) in den Aufsichtsrat berufen. Den leitet übergangsweise der frühere Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber.

Der ehemalige Arbeiterführer wird heute zum Auftakt seiner Rede vermutlich mit knappen Worten Stellung zur Führungskrise nehmen und dann zur Tagesordnung übergehen. Es wird ebenfalls erwartet, dass die entscheidende Personalfrage vertagt wird. Die Linie dafür hatte Regionalregierungschef Stephan Weil (SPD) bereits vor einigen Tagen vorgegeben: »Der Aufsichtsrat ist arbeitsfähig, das Management ist voll funktionsfähig.« Es gebe keinen Grund zur Eile. Überhaupt scheint der mit knapp 20 Prozent der Stammaktien ausgerüstete zweite »Ankeraktionär« Niedersachsen sein wirtschaftspolitisches Mandat voll ausgereizt zu haben, um die Krise zu bewältigen. Klar ist aber auch, ohne das Plazet von Aufsichtsratsmitglied und Chef des zweiten Familienstammes, Wolfgang Porsche, wäre der Machtwechsel an der Aufsichtsratsspitze unmöglich gewesen. Winterkorn hätte seine Papiere nebst Millionenabfindung bekommen.

Der Porsche-Clan hat die Rückkehr an die Macht bei VW auf verschlungenen Wegen und mit nicht unbedingt feinen Methoden erreicht. In der entscheidenden Phase zwischen 2005 und 2009 agierte vordergründig das Topmanagement des Autoherstellers Porsche. Dieses Handeln wird derzeit in einem weiteren Prozess in Stuttgart aufgearbeitet. Als öffentlich von den Medien verkündet wurde, die Attacke auf VW sei gescheitert, wachte man in Wolfsburg auf und hatte die Sippe als Mehrheitseigner am Hals. Eine Rückkehr war es deshalb, weil der noble Konzern einst auf Hitlers Betreiben mit geraubten Gewerkschaftsgeldern aufgebaut worden war. Erster Geschäftsführer: Ferdinand Porsche. Sein Schwiegersohn Anton Piëch assistierte ihm damals.

Die Aktionäre werden sich heute offiziell mit anderen wichtigen Problemen beschäftigen: So hat ein Kleinaktionär »unnötige Ausgaben durch das übertriebene Sponsoring beim VfL Wolfsburg und FC Ingolstadt« moniert. Er fordert daher eine um zehn Cent höhere Dividende. »Allein die Spieler André Schürrle und Kevin De Bruyne kosteten weit über 50 Millionen Euro«, kritisiert der Anteilseigner. VW konterte diese PR-feindliche Argumentation mit der Standardfloskel: »Wir halten den Gegenantrag für unbegründet.« (mit: dpa, Reuters)

 

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