Lesetips
Kapitalismus tötet
Die Kürzungsprogramme, die den südeuropäischen Ländern von Deutschland und der EU aufgezwungen werden, haben dramatische Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Das belegt eine aktuelle Studie, deren Ergebnisse in einem Beitrag für die WSI-Mitteilungen zusammengefasst sind. Demnach steigt in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien zwar – wie in ganz Europa – die allgemeine Lebenserwartung. Doch die Zahl der gesunden Lebensjahre, die 65jährige in diesen Ländern zu erwarten haben, geht teilweise deutlich zurück. So lag die gesunde Lebenserwartung dieser Altersgruppe in Griechenland 2004 bei 9,5 Jahren, 2012 waren es nur noch 7,8 Jahre. In Spanien fiel dieser Wert im gleichen Zeitraum von 9,6 auf 9,2 Jahre, in Italien gar von 12,5 auf 7,2 Jahre. Einzig in Portugal stieg die gesunde Lebenserwartung der 65jährigen etwas, sie liegt aber weiterhin deutlich unter dem EU-Durchschnitt.
Das internationale Forscherteam führt diese Entwicklung vor allem auf den infolge der Schuldenkrise erfolgten Abbau und die Verteuerung der Gesundheitssysteme zurück. Dass diese Politik Menschenleben kostet, zeigt sich in Griechenland. Dort sind die Arzneimittelausgaben zur Behandlung schwerer Krankheiten erheblich gesunken. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychische Störungen und Infektionskrankheiten wie Malaria greifen ebenso um sich wie übermäßiger Alkohol- und Drogenkonsum. Die Selbstmordrate in Griechenland ist allein zwischen 2009 und Mitte 2012 um rund 40 Prozent gestiegen – unter anderem wegen drastischer Kürzungen in der psychiatrischen Versorgung. Und Einsparungen bei der Behandlung Drogenabhängiger haben dazu geführt, dass sich die HIV-Infektionsrate unter injizierenden Drogenabhängigen zwischen 2004 und Ende 2011 verzehnfacht hat. (dab)
WSI-Mitteilungen 6/2015, Jahresabo: 92,40 Euro. www.wsi-mitteilungen.de
Prekär mit Betriebsrat
Welcher Zusammenhang besteht zwischen prekärer Beschäftigung und der Existenz einer betrieblichen Interessenvertretung? Eine Studie, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift Industrielle Beziehungen zusammengefasst sind, kommt bei dieser Frage zu dem Ergebnis, dass einerseits Gewerkschaftsmitgliedschaft und Tarifbindung das Risiko sogenannter atypischer Beschäftigung verringern. Andererseits – und das ist auf den ersten Blick erstaunlich – gibt es in Betrieben mit Betriebsrat mehr atypische Beschäftigung. Eine Erklärung ist, dass Betriebsräte die Einhaltung des Kündigungsschutzes kontrollieren, was Unternehmen zum Ausweichen auf atypische Beschäftigung veranlasst. Zugleich haben die Interessenvertreter nur wenige Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. (dab)
Industrielle Beziehungen – Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management. 3–4/2015. Jahresabo: 80 Euro. www.hampp-verlag.de
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