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Aus: Ausgabe vom 28.11.2015, Seite 3 / Schwerpunkt

Mit Max Frisch gegen rechte Populisten

Nein, Öderland will Regisseur Volker Lösch nicht im Elbtal bei Dresden verorten. Öderland ist vielmehr ein Synonym für Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, das nicht die Freiheit ermöglicht, die man sich erträumt. Wenn das Staatsschauspiel Dresden an diesem Samstag »Graf Öderland« von Max Frisch auf die Bühne bringt, wird es hochpolitisch. Lösch hat dem Stück einen zweiten Titel beigefügt: »Wir sind das Volk«. Gemeint sind damit die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«.

Es war eine Frage der Zeit, bis Pegida im Theater landet. Volker Lösch, der sich als politischer Theatermann oft in gesellschaftliche Debatten einschaltet, musste nur noch nach einem passenden Stück suchen, mit dem er an Pegida andocken konnte. Er nahm sich die Geschichte um »Graf Öderland« vor, die vom alptraumhaften Aufstieg eines Populisten erzählt. Ein Mann, der auf Zukunftsangst und Unzufriedenheit seiner Mitmenschen bauen kann. Chefdramaturg Robert Koall verweist darauf, dass sich Themen rund um Pegida durch den Spielplan der ganzen Saison ziehen – von Lessings »Nathan der Weise« bis hin zu Kleists »Michael Kohlhaas« und nun »Graf Öderland«. Für Koall ist das Phänomen Pegdia weit größer als die mittlerweile wieder überschaubare Menschenmenge auf dem Dresdner Theaterplatz, dem bevorzugten Aufmarschgebiet: »Das größere Problem liegt darin, dass diejenigen, die nicht zu Pegida gehen, keine Pegida-Gegner sind.« Dieser Umstand mache das Stadtklima aus. Koall ist frustriert über die »Trägheit der Masse« in Dresden.

Das wurmt auch Regisseur Lösch. Dass Pegida in Dresden auf so wenig Gegenwehr stößt, hält er für ein gravierendes Dilemma. Nun ist er gespannt darauf, wie die bürgerliche Mitte in der selbstverliebten Residenzstadt auf sein Stück reagiert. Eine Kostprobe bekam er schon bei einer öffentlichen Probe am Dienstag. Da hat er es hinter sich im Publikum zischen hören, so nach dem Motto: Stimmt ja gar nicht. Das Problem: Jedes Wort auf der Bühne stimmt. Denn Lösch lässt seine Schauspieler außer Text von Max Frisch und persönlichen Bekenntnissen ausschließlich Dinge sagen, die auf Pegida-Kundgebungen nachweislich zu hören waren oder aus anderen sicheren Quellen stammen. Die Pegida-Parolen werden vor allem vom Dresdner Bürgerchor aufgesagt.

Für Koall ist »Graf Öderland« dennoch kein »Stück über Pegida«: »Es ist eine mit dokumentarischem Stoff durchzogene Parabel darüber, was passiert, wenn der Glaube an eine demokratische Ordnung verlorengeht und eine Gesellschaft sich radikalisiert«, sagt er. Solange Pegida jeden Montag nahe am Schauspielhauses vorbeilaufe, werde man weiter im Sinne eines »Gegengeistes« Theater machen. (dpa/jW)

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