75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Montag, 25. November 2024, Nr. 275
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 13.01.2016, Seite 15 / Antifaschismus

Geheimdienstthemen im Prozess unerwünscht

München. Viele hatten am Dienstag im Münchner NSU-Prozess damit gerechnet, Antworten der Hauptangeklagten Beate Zschäpe auf den Fragenkatalog des Gerichts zu hören – wenn auch nur verlesen durch einen ihrer Anwälte. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl schien allerdings nicht überrascht zu sein, dass es nicht dazu kam. Das Gericht nutzte die Zeit, um bekanntzugeben, dass mehrere Beweisanträge abgelehnt worden seien, die Nebenklagevertreter schon vor längerer Zeit gestellt hatten. Zwei davon hatten einen Geheimdienstbezug. Einer betraf die Zeugenladung des ehemaligen V-Mannes Michael von Dolsperg alias »Tarif«, der die rechte Propagandapostille Sonnenbanner herausgegeben hatte. Nach eigenen Angaben war Dolsperg 1998 von dem Neonazi André Kapke nach einem Versteck für das damals frisch untergetauchte Trio gefragt worden, das dann den NSU gegründet haben soll. »Tarif« sagte später gegenüber Journalisten und in Vernehmungen, er habe diese Information damals zügig an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet. Wäre sie dort entsprechend gewürdigt worden, hätten Zschäpe und ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bereits vor dem ersten Mord festgenommen werden können, argumentierten die Opferanwälte in dem Beweisantrag vom März 2014. In der Ablehnungsbegründung des Gerichts heißt es, diese Annahme sei »lediglich theoretischer und hypothetischer Natur«, aber ohne Folgen für die Strafzumessung. Außerdem könne sich der Zeuge André Kapke nicht daran erinnern, dass er Dolsperg nach einem Versteck gefragt habe. Die auffälligen Gedächtnislücken von Kapke findet das Gericht demnach plausibel. Keine oder nur eine vernachlässigbare Bedeutung für das Verfahren hat nach Götzls Auffassung auch ein Strategieartikel von Dolsperg im Sonnenbanner, der sich mit der Bildung eines Zellensystems für den Untergrundkampf befasste. Nach Aussage des Ex-V-Mannes hatte der Verfassungsschutz die Veröffentlichungen in dem Magazin abgesegnet.

Gegenstand eines weiteren Beweisantrags, der am Dienstag in München abgelehnt wurde, war die Gegenüberstellung eines V-Mann-Führers mit dem ehemaligen »Blood and Honour«-Funktionär Marcel Degner, der vor Gericht eine Tätigkeit als »Quelle« für den Thüringer Verfassungsschutz abgestritten hatte. Es steht Aussage gegen Aussage – das Gericht bewertete die des Geheimdienstbeamten als glaubwürdig: Dieser habe Degner als seine Quelle »Hagel« identifiziert. (clw)

Ähnliche:

  • Vor dem Münchner Gerichtsgebäude im Januar 2015: Protestaktion d...
    31.12.2015

    Zschäpe und der tiefe Staat

    Jahresrückblick. Heute: NSU-Prozess. Späte Aussagen bringen kein Licht ins Dunkel, aber Bewegung in das Verfahren. Für den Geheimdienst ist es vor allem peinlich
  • Angelika Lex
    11.12.2015

    Bürgerrechtler trauern

    Nachruf: Die kämpferische Münchner Anwältin Angelika Lex ist gestorben
  • Auch Bundesanwalt Herbert Diemer (hier auf einer Pressekonferenz...
    22.07.2015

    Aufklärungshindernisse

    Hauptangeklagte stört NSU-Prozess mit immer neuen Vorstößen gegen ihre Pflichtverteidiger. Hessischer Untersuchungsausschuss blockiert sich selbst

Regio:

Mehr aus: Antifaschismus