Magere Ehrung. Ein Abend über Peter H. Feist in Berlin
Von Ulrike KrenzlinAm Dienstag fand im Hörsaal 3075 der Berliner Humboldt-Universität (HU) ein »Vortragsabend« zur Erinnerung an Peter H. Feist (1928–2015) statt. Feist gilt als bekanntester Kunsthistoriker der DDR. Von 1958 bis 1982 leitete er das Institut für Kunstgeschichte (später Kunstwissenschaft) der HU. Er starb am 26. Juli 2015 im Alter von 87 Jahren (ausführlicher Nachruf von Peter Michel in jW vom 4.8.2015). Warum musste bis zur Ehrung durch seine Amtsnachfolger ein Dreivierteljahr vergehen?
Seine Vorlesungen hielt Feist in eben diesem Hörsaal 3075. Ein Vierteljahrhundert lang prägte er dort mit seinem fast über alle Epochen gespannten Vorlesungsprogramm, den Methodenansätzen und – als Dauerbrenner – mit der Einführung »Knotenpunkte der Kunstgeschichte« das Denken und Fühlen mehrerer Generationen von Kunsthistorikern. Wie ein Bühnenschauspieler formte er am Pult vor Diaprojektoren seinen böhmischen Dialekt. In Interpretationen und Leitlinien verwob er Faszination und Einfühlung so, dass sich im verdunkelten Vorlesungsraum jener sinnliche Zauber entzündete, der alle in seinen Bann zog.
Dem splendiden Redner stand auch ein Schreibstil zur Verfügung, in dem sich Feinsinn, Wortfindung – manchmal etwas altmodisch –, kurz: die Eleganz seines Wesens wiederfand. Kaum ging es ihm dabei um Schärfe im Kampf um den Sozialismus. Beispielsweise konnte er seine Analyse von Fritz Cremers Spanienkämpferdenkmal im Friedrichshain rasch beenden mit dem Gedanken, dass der Bildhauer in seinen Schwertschwinger schon den richtigen Kampfgeist gegen Faschismus und Imperialismus hineingestaltet habe.
Genau da setzte am Dienstag der Vortrag von Gabi Dolff-Bonekämper (TU Berlin) an. Ihr Thema: »Unmögliche Helden – drei Denkmale von Fritz Cremer«. Die stimmige Analyse der Referentin bezog den Chemnitzer Galileo Galilei (»Und sie dreht sich doch«) sowie das Brecht-Denkmal vor dem Berliner Ensemble ein. Cremer habe um ein Heldenbild in der DDR-Kunst gerungen, meinte Dolff-Bonekämper. Aber zwischen Auftraggebern (im Fall des Spanienkämpferdenkmals die Veteranen), Kulturpolitik und ureigensten künstlerischen Ansprüchen sei es zu einem Geziehe und Gezerre gekommen, in dem ein überzeugendes Heldenideal nicht habe entstehen können.
Ronald Paris sagte mir einmal, dass es ihm immer verdächtig vorkomme, wenn Nachgeborene, von außen auf die DDR Blickende diese Kunstprozesse beurteilten. Er hat recht. Die Westberlinerin Dolff-Bonekämper, Jahrgang 1952, rekonstruierte aus der Literatur, nicht aus Archiven. Sind Erkenntnisse dieser Art 26 Jahre nach dem Mauerfall wirklich ergiebig?
Claude Keisch, ehemaliger Mitarbeiter von Feist, glänzender Essayist, Kenner und Museumsmann, behielt sich in seiner Rede mehr Spielraum vor. Nur dem Fachmann, nicht dem Wissenschaftspolitiker Feist wollte er nahekommen. Er stellte zunächst Feists bürgerliche Herkunft heraus, die Noblesse seines Auftritts, den Charme seiner Person. Und die Nähe zur bürgerlichen Kunstgeschichtstradition. Er bestaunte dessen Fähigkeiten, in Veröffentlichungen nach den unvergänglichen Werten der Kunst zu suchen, aus der Sicht eines konsequenten Materialisten.
Eine magere Ehrung. Was die Verspätung anbelangt, verwiesen die Amtsnachfolger nur auf einen pünktlich erschienenen, umfassenden Nachruf des Hauses von Horst Bredekamp, der aber nicht viel mehr enthielt als eine Würdigung der Ämter des Verstorbenen. Aufschluss kam vom Chemiker Michael Feist, Sohn des Kunsthistorikers. Er gab als denkwürdigen Grund für die Verzögerung das väterliche Testament an, darin sind eine Beisetzung im anonymen Grab und der Verzicht auf einen offiziellen Festakt verfügt. Die Initiative zum Abend ging allein vom Sohn aus, der sein Anliegen an das Institut herangetragen hatte.
Am 8. Dezember 2016 folgt in Berlin ein Kolloquium der Leibnitz-Sozietät zu Peter H. Feist mit Beteiligung ehemaliger DDR-Kollegen
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