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Aus: Ausgabe vom 14.07.2016, Seite 11 / Feuilleton

Ein kaltes, nasses Grab

Von Michael Saager

Seit 1982 dabei, 14. Studioalbum, rund 120 Minuten Spielzeit, nur drei Stücke unter zehn, dafür weitere drei über 20 Minuten. (Facebook-Fans ersetzen den Punkt an dieser Stelle vielleicht durch die beliebten drei oder mehr Ausrufezeichen ihrer kindlichen Übererregung.) Indes: Wer mit so episch-majestätischen Schritten vom Weltuntergang ins Licht und wieder zurück schreitet wie die Swans auf »The Glowing Man«, benötigt im Grunde überhaupt keine geschriebene Begleitmusik. Brauchen Erdbeben, Meteoriteneinschläge und Monsterwellen ja auch nicht.

Selbstverständlich ist es nicht, dass es diese ehemals so radikale New Yorker Noise-Gruppe um den charismatisch-kaputten Sänger Michael Gira (Foto) tatsächlich bis auf die Kulturseiten »normaler« Tageszeitungen bringen konnte. Denn obgleich nach dem Neustart der Swans im Jahr 2010 die musikalische Welt der Band keine des infernalischen Lärms mehr war, sondern seither eher einer dunkelromantischen Doom-Folk-Prozession mit schunkelnden Dampfwalzen am Wegesrand gleicht, hat das alles mit stubenreinem Feuilleton-Pop doch herzlich wenig zu tun.

Auch auf »The Glowing Man«, dem Abschlussalbum einer Trilogie wie aus schmiedeeisernem Guss, die 2012 mit »The Seer« begann und 2014 mit »To Be Kind« fortgesetzt wurde, schwillt Leises zu Lärm an, wird notorisch verdichtet, geloopt und geschichtet, werden Lebenstrauer und Todessehnsucht souverän in barock-cineastische Mitternachtshymnen übersetzt. Und Giras tiefe Stimme wirkt stellenweise fast verletzlich, doch sehr viel häufiger: wie ein kaltes, nasses Grab.

Über der schönen Musik aber schwebt seit einiger Zeit ein Vorwurf, den auch ein Song von Ehefrau Jennifer Gira nicht aus der Welt schaffen kann: Sie singt über das Trauma, Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein, und über den Versuch, dieses Trauma zu überwinden. Michael Gira wiederum wurde von der Sängerin Larkin Grimm beschuldigt, sie 2008 vergewaltigt zu haben. Der Sänger bestreitet dies. Und obschon »When Will I Return« bereits geschrieben war, als die Vorwürfe an die Öffentlichkeit gelangten, voneinander trennen lassen sich die Geschichten nicht.

Swans: »The Glowing Man« (Mute/Goodtogo)

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