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Aus: Ausgabe vom 27.09.2016, Seite 11 / Feuilleton

»Die Siedler der Westbank« auf Arte

Von Sigurd Schulze

Es will schon etwas heißen, wenn Arte einen politisch brisanten Film nicht kurz vor Mitternacht, sondern zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr ins Programm hebt. Das Thema erklärt den Umstand: »Die Siedler der Westbank«, eine Dokumentation des israelischen Regisseurs Schimon Dotan, schlägt den Bogen von der Teilung Palästinas durch die UNO im Jahre 1947 über den Sechstagekrieg (1967), das Oslo-Abkommen (1993) und den Mord an Ministerpräsident Jitzchak Rabin (1995) bis zur gespannten Lage der Gegenwart.

Etwa 400.000 Einwohner haben heute die 100 nach israelischem Recht legalen und 125 illegalen israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland. Am Anfang der Siedlungsbewegung stand ein Aufruf des ultranationalistischen Rabbiners Zwi Jehuda Kook 1967. Kooks Anhänger folgten dem religiös begründeten Appell und erhielten bald Unterstützung von der israelischen Regierung, obwohl Artikel 49 der IV. Genfer Konvention besagt, dass eine Besatzungsmacht ihre Bevölkerung nicht in die besetzten Gebiete transferieren darf.

Während die Politik der israelischen Regierungen ihnen gegenüber im Laufe der Jahrzehnte wechselte, schufen die Siedler Tatsachen, indem sie etwa ein Hotel in Hebron besetzten und dort eine Gemeinde konstituierten, aus der sich ein israelischer Teil der Stadt entwickelte. Dotan hat durchaus offenherzige Interviewpartner getroffen: Die Siedler, mit denen er spricht, sind von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns überzeugt und wollen das Land nicht wieder verlassen, einige entwickeln Phantasien von einem Großisrael, das vom Euphrat bis zum Nil reicht.

Wesentlich ist in seinem Film der »Sasson-Bericht«, in dem die ehemaligen Staatsanwältin Talia Sasson darlegte, dass Ministerien und Kommunen die illegalen Siedlungen finanzieren. Welche Mittel der Staat Israel genau für deren Unterstützung bereitstellt, konnte Dotan jedoch nicht ermitteln. Offen bleibt ebenfalls der Einfluss der Siedler auf die politischen Ansichten der 8,4 Millionen Israelis.

Auch Politiker, Militärs, Juristen, Wissenschaftler und Aktivisten kommen im Film zu Wort. Erwähnenswert ist eine Schätzung von Experten, nach der bis zu 80 Prozent der Siedler primär aus wirtschaftlichen Gründen in die Westbank ziehen, weil dort etwa die Wohnungen billiger sind. Und General Schlomo Gasit, ehemals Kommandeur in den besetzten Gebieten, sagt den Satz, der in diesem Konflikt schon sehr oft widerlegt wurde: »So kann es nicht weitergehen.«

»Die Siedler der Westbank«, F/IL/D 2016, 90 min, Regie: Schimon Dotan. Heute: 20.15 Uhr, Arte, morgen: 23.30 Uhr, ARD

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