Hintergrund: Europa ohne Krieg
Von Robert AllertzSo sicher wie das Amen in der Kirche ist der Beisatz zum Namen Fritz Streletz, so er denn in hiesigen Medien überhaupt Erwähnung findet: »Als Mitverantwortlicher des Grenzregimes an der Berliner Mauer wurde er wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.« (Wikipedia) Diese Aussage ist diffamierend und denunziatorisch, wie das Verfahren weniger juristischer denn politischer Natur war. Über die Exponenten der DDR wurde in den 90er Jahren zu Gericht gesessen, weil der Versuch bestraft werden musste, dem Kapitalismus eine gesellschaftliche Alternative entgegenzusetzen.
Historisch nüchtern betrachtet gehörte der Berufssoldat Fritz Streletz zu jenen deutschen Militärs, die maßgeblich dazu beitrugen, dass in Europa über Jahrzehnte kein Krieg stattfand. Erst nachdem die DDR und mit ihr die NVA und der Warschauer Vertrag verschwanden, gab es auf dem Kontinent erneut bewaffnete Konflikte – mit deutscher Beteiligung. Heute stehen, wie schon einmal 1941, deutsche Soldaten vor der russischen Grenze.
Vor allem aber wird ignoriert, was Streletz und Genossen im Herbst 1989 leisteten. Dass in der DDR kein Schuss fiel, ist nicht ursächlich den Demonstranten, schon gar keinem Gorbatschow, Kohl oder Bush zuzuschreiben. Es waren die Waffenträger in der DDR sowie deren Kommandeure und Befehlshaber, die sich als Humanisten der Tat erwiesen. Gewiss, Sozialisten sind von Natur aus Humanisten, das ist eine Binsenweisheit. Aber in einem Vierteljahrhundert antikommunistischer »Vergangenheitsaufarbeitung« gelang es fast, dies vergessen zu machen. Die tatsächlichen Totschläger konnten sich erfolgreich in die Kostüme von »Freedom and democracy« hüllen. Die »friedliche Revolution« war in Wahrheit eine unblutige Konterrevolution. Unblutig einzig deshalb, weil die Unterlegenen sich vernünftiger als ihre Gegner erwiesen. Daran sollte man sich dankbar erinnern. Und verantwortungsvoll handelnde Personen wie Fritz Streletz rühmen, anstatt sie zu schmähen.
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