Meisterschüler. Nachruf auf György Márkus
Von Rüdiger DannemannMit dem ungarischen Philosophen György Márkus starb am 6. Oktober im australischen Sydney der wohl bedeutendste Vertreter der Budapester Schule des marxistischen Philosophen Georg Lukács. »Es gibt keinen zweiten Denker, dem ich gleichermaßen verpflichtet wäre«, schrieb Márkus mir im Mai 2013 in einer E-Mail.
Sein Beitrag zu Lukács’ Projekt einer Sozialontologie und einer Renaissance des Marxismus fand den reifsten Ausdruck vielleicht in der Studie »Anthropologie und Marxismus« (dt. 1981). Maßgeblich zu verdanken ist Márkus die postume Edition wichtiger Frühschriften von Lukács (»Heidelberger Philosophie der Kunst«, 1912–1914; »Heidelberger Ästhetik«, 1916–1918).
1968 protestierte Márkus gegen die Niederschlagung des »Prager Frühlings«. Die mit den Lukács-Schülern György Bence und Janos Kis verfasste Studie »Wie ist eine kritische Wirtschaftstheorie möglich?« erschien 1972 im Untergrund. Als Márkus sich 1973 gegen die Maßregelung jüngerer Philosophen in Ungarn wandte, verlor er seine Professur in Budapest und erhielt wie andere Mitglieder der Budapester Schule (Ágnes Heller, Mihály Vajda) faktisch Berufs- und Publikationsverbot. 1977 emigrierte er nach Australien, lehrte dort an der Universität von Sydney.
In den letzten Lebensjahren widmete er sich einer Kulturtheorie, die der postmodernen Essayliteratur genauso kritisch gegenübersteht wie vereinseitigenden Verengungen. In Australien veröffentlichte Márkus mit Ágnes Heller und Ferenc Fehér den Band »Dictatorship over Needs. An Analysis of Soviet Societies« (1983). In Nachrufen wurde hervorgehoben, dass Márkus »bis zu seinem Tod einer kritischen marxistischen Philosophie verbunden« blieb. Es wäre an der Zeit, seine wichtigsten Werke neu aufzulegen.
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