Klare Verhältnisse
Von Dietmar KoschmiederEine wichtige Voraussetzung für die weitere Existenz der Tageszeitung junge Welt konnte im Jahr 2016 geschaffen werden: Die Genossenschaft LPG junge Welt e. G. hat Beschlüsse umgesetzt und die Verlag 8. Mai GmbH, in der die junge Welt erscheint, auf stabile Grundlagen gestellt.
Am 5. April 1995 schien es soweit: Die Tageszeitung junge Welt sollte eingestellt werden, der damals herausgebende Verlag in den Konkurs geschickt. Aber wenige Tage später übernahm der neugegründete Verlag 8. Mai GmbH die Geschäfte und brachte die junge Welt weiter heraus. Dafür konnte der damalige Betriebsratsvorsitzende Koschmieder gerade mal die 25.000 DM mobilisieren, die zwingend erforderlich waren. Schon deshalb hielten die meisten dieses Projekt für nicht überlebensfähig – wie konnte es auf einer so schwachen ökonomischen Grundlage möglich sein, eine Tageszeitung zu betreiben? Eine Genossenschaft sollte das richten, die dann nicht zufällig am 7. Oktober 1995 konstituiert wurde. Im März 1998 besaß diese genug Anteile und übernahm 52 Prozent des Stammkapitals am Verlag 8. Mai. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende blieb Minderheitsgesellschafter mit 48 Prozent der Anteile. In den kommenden Jahren kämpften Verlag, Redaktion und Genossenschaft auf einem komplizierten Markt, der bis heute vor allem durch Niedergang gekennzeichnet ist. Trotz positiver Aboentwicklung schlossen auch beim Verlag der jungen Welt die Geschäftsjahre meistens mit Verlusten ab. Ein Konkurs blieb trotzdem erspart: Zum einen, weil nachgewiesen wurde, dass eine tatsächliche Überschuldung nicht vorlag. Zum anderen aber, weil über Genossenschaftskredite der Verlag zahlungs- und damit handlungsfähig blieb. Auf jeder ordentlichen Generalversammlung wurde die Entwicklung aufgezeigt, und die Versammlung wurde im Juni 2016 darüber informiert, dass sich mittlerweile ein nicht gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 950.000 Euro in der Bilanz des Verlages angesammelt hat. Bei einer Eigenkapitalausstattung von lediglich 25.000 Euro keine stabile Basis.
Was aber ist das Besondere im Jahr 2016? Die Geschäftsbeziehungen zwischen Verlag und Genossenschaft wurden auf eine neue Grundlage gestellt. Das war möglich, weil die Genossenschaft mittlerweile 1.974 Mitglieder hat. Die ordentliche Generalversammlung im Juni stimmte dem Vorschlag zu, für Kredite in Höhe von 355.000 Euro (für die zuvor bereits ein Rangrücktritt erklärt wurde) einen endgültigen Verzicht auszusprechen. Auf einer außerordentlichen Vollversammlung am 19. November wurde der Vorstand bevollmächtigt, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen und als stiller Gesellschafter aktiv zu werden. Von 105 anwesenden Genossinnen und Genossen stimmten nur drei gegen diese Pläne. Noch im Dezember wurden diese Beschlüsse umgesetzt: Nach einer Kapitalerhöhung beim Verlag 8. Mai GmbH auf insgesamt 286.000 Euro besitzt jetzt die Genossenschaft 95,6 Prozent, der Minderheitsgesellschafter Koschmieder noch 4,4 Prozent der Anteile am Stammkapital. Zudem wurde eine sogenannte atypisch stille Einlage der Genossenschaft in Höhe von 500.000 Euro vertraglich fixiert – dazu werden Kredite in der genannten Höhe in eine stille Einlage umgewandelt und die Rechte der Genossenschaft erweitert. Konsequenzen dieser Beschlüsse werden in der Geschäftsbilanz für das Jahr 2016 deutlich: Der Verlag 8. Mai GmbH wird voraussichtlich erstmals seit 1998 bilanziell nicht überschuldet sein.
Wichtig ist, dass diese Sanierung ohne Hilfe von außen stattfinden konnte. Die junge Welt kann so gestärkt den 70. Geburtstag im Februar 2017 feiern – als vom großen Kapital weiterhin unabhängige marxistische Tageszeitung. Genau dafür wurde die Genossenschaft 1995 gegründet und dafür Dank an alle Genossinnen und Genossen der LPG junge Welt e. G. Allerdings ist mit der Stabilisierung des Verlages ein anderes Kernproblem noch nicht gelöst, das ebenfalls die Existenz der Zeitung bedroht: Das Herstellen und Vertreiben der Tageszeitung junge Welt verursacht in der Regel nach wie vor mehr Kosten, als Einnahmen durch Aboerlöse erzielt werden. Deshalb werden Verlag, Redaktion und Genossenschaft die Kampagne »Dein Abo zur rechten Zeit« mit Volldampf weiterführen. Über die ersten Ergebnisse dieser Kampagne wird auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 14. Januar in Berlin berichtet.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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