Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 25.02.2017, Seite 11 / Feuilleton
Gerüchte

Gestrickte Tarnung

Von Gerrit Hoekman

Muss die Geschichte der UFA neu geschrieben werden? War die Nazitraumfabrik in Wirklichkeit von sowjetischen Agenten unterwandert? Wurde die Feuerzangenbowle nicht mit Rum hergestellt, sondern mit Wodka? Ganz soweit ist es noch nicht, doch der Verdacht, den Bild Anfang der Woche streute, sorgt für Aufsehen: Die Schauspielerin Marika Rökk soll für den sowjetischen Nachrichtendienst GRU gearbeitet haben. Das geht angeblich aus streng geheimen Dokumenten hervor, die von der Organisation Gehlen, dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg über den Operettenstar angelegt wurden. Der BND hat sie laut Bild jetzt erst freigegeben, fast 13 Jahre nach dem Tod der Schauspielerin.

Demnach soll Marika Rökk seit den 1940ern der Spionagegruppe »Krone« angehört haben, die der Agent Jan Tschernjak gegründet hatte und die rund 35 Mitglieder umfasste. Unter anderem war die deutsch-russische Schauspielerin Olga Tschechowa für die »Krone« aktiv. Tschechowa war eine der Lieblinge Adolf Hitlers und nahm als seine Tischdame häufig an Galadinners der Nazis teil. Welche Rolle Marika Rökk in der Untergrundgruppe spielte, bleibt unklar. Angeblich wurde sie von ihrem Manager Heinz Hoffmeister angeworben. Auch ihr Mann, der Regisseur Georg Jacoby, soll als Spion beteiligt gewesen sein.

Die Enthüllung überrascht, denn Marika Rökk galt als Anhängerin des Naziregimes und eingefleischte Antikommunistin. Im »Dritten Reich« machten Gerüchte die Runde, sie habe eine Affäre mit Propagandaminister Joseph Goebbels. Rökk war mit dem Niederländer Johannes Heesters das populärste Paar des deutschen Revuefilms und gab den Propagandafilmen der Nazis wegen ihres leichten ungarischen Akzents einen exotischen Charme.

Die Alliierten belegten Marika Rökk nach dem Krieg zwei Jahre lang mit einem Auftrittsverbot. Die Schauspielerin eröffnete zunächst eine Boutique für Strickwaren. Nach Ansicht der Organisation Gehlen fungierte das Geschäft aber nur als Tarnung, um auch in der BRD weiter für die Sowjetunion zu arbeiten. Marika Rökk feierte 1951 in »Die Csardasfürstin« ein grandioses Comeback in der Bundesrepublik und gehörte fortan wieder zu den beliebtesten Stars im Nachkriegsdeutschland.

Die jetzt bekanntgewordenen Dokumente sind mit großer Vorsicht zu genießen. Die von den USA eingesetzte Organisation Gehlen bestand zu einem erheblichen Teil aus ehemaligen Mitgliedern der SS, der Gestapo und des Sicherheitsdienstes. Ihren Namen erhielt sie durch ihren Chef, den Generalmajor der Wehrmacht und NSDAP-Mitglied Reinhard Gehlen, der später auch der erste Präsident des BND wurde.

Ähnliche:

  • Manches ist den alten James-Bond-Filmen entlehnt und wirkt beina...
    31.01.2017

    Für das Kollektiv

    Schluss mit der Strafrente: Die Geheimdienstklamotte »Kundschafter des Friedens«
  • »Alter Nazi«, Gladio-Aufbauer, Bundesverdien...
    04.06.2014

    Untergrundwehrmacht

    BND-Gründer Gehlen stellte Hitlers Regimenter in Adenauers Dienste und entfachte zu seinem Lebensunterhalt den Kalten Krieg zwischen USA und Sowjetunion

Mehr aus: Feuilleton