Displaced Person
Für ihren Roman »Sie kam aus Mariupol« hat die 71jährige Natascha Wodin am Donnerstag den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten. In dem bei Rowohlt erschienenen 368-Seiten-Buch rekonstruiert die Schriftstellerin die Geschichte ihrer russisch-griechischen Großfamilie. Titelfigur ist ihre 1920 im ukrainischen Mariupol geborene Mutter. Zunächst wird deren Schwester als Studentin in Odessa verhaftet und wegen konterrevolutionärer Umtriebe nach Sibirien verbannt, wo sie mit Bravour jugendliche Straftäter unterrichtet. Wodins Mutter wird dann als eine von Hunderttausenden zwischen 1941 und 1944 aus der Ukraine nach Deutschland verbracht, zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie. Sie wird in einer Leipziger Waffenfabrik des Flick-Konzerns ausgebeutet, bringt Ende 1945 in Fürth ihre Tochter zur Welt, die in einer Wohnanlage für »Displaced Persons« aufwächst. 1956 ertränkt sich die Mutter in der Regnitz bei Forchheim.
Neben Wodin, deren bisher bekanntester Roman »Nachtgeschwister« von ihrer Liebesbeziehung mit Wolfgang Hilbig (1941–2007) erzählt, wurden in Leipzig die Sachbuchautorin Barbara Stollberg-Rilinger und die Übersetzerin Eva Lüdi Kong und geehrt, letztere für ihre Übertragung des chinesischen Epos »Die Reise in den Westen« aus der Zeit der Ming-Dynastie, dessen Helden – vom Affenkönig Sun Wukong bis zum Priester Tripitaka – in China jedes Kind kennt. Der Preis der Leipziger Messe wurde zum 13. Mal verliehen. Erstmals ging er in allen drei Kategorien an Frauen. (jW)
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