Hintergrund: Farbenspiel statt Inhalte
Die Wahlplakate lassen sich in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland ebenso knapp zusammenfassen wie die Auftritte der meisten Spitzenkandidaten in den lokalen Medien: Inhalte überwinden! Obwohl die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag gemeinhin auch als »kleine Bundestagswahl« beschrieben wird und der Entscheidung zwischen Rhein und Ruhr traditionell viel Symbolkraft nachgesagt wird, halten sich die Parteien mit konkreten Aussagen zurück. Oder vielleicht gerade deshalb – keine will die Möglichkeit verspielen, die Macht zu erringen oder zu behalten, indem sie eine falsche Aussage macht.
Stattdessen konzentrieren sich die im Landtag vertretenen Fraktionen darauf, der Partei Die Linke die Regierungsfähigkeit abzusprechen. Obwohl tief im Westen ein ganz junges Team um Wähler ringt, geht es auch etlichen Lokaljournalisten einzig darum, diesem »Bekenntnisse« zur DDR zu entlocken. Als gebe es keine Probleme mit Kinderarmut, prekärer Beschäftigung und kaputten Straßen, geht es einzig um Sprachhygiene und nicht um Inhalte.
Und am Mittwoch ist Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) über das von Herausforderer Armin Laschet (CDU) hingehaltene Stöckchen gesprungen. Im Interview mit dem WDR schloss sie eine Koalition der Linken aus. Zuvor hatte die CDU moniert, sie habe dies bisher nicht kategorisch getan.
Dabei könnte sich niemand in der Linken, der noch bei klarem Verstand ist, wünschen, mit Krafts SPD zu koalieren: Ihren Wahlkampfversprechen ist nicht zu entnehmen, dass sie in den vergangenen Jahren Regierungsverantwortung getragen hat. Ein Leben im Konjunktiv: Hätte, müsste, könnte.
Und auch Laschet verlässt sich vor allem darauf, dass er sympathischer wirkt als die Landesmutter. Ein Typ, mit dem man mal ein Bier trinken gehen möchte. Und in Ratgeberbüchern lernt man ja, dass man strittige Themen wie Politik weglassen sollte, wenn man Smalltalk an der Theke betreibt.
Noch schlimmer steht es um die Grünen in NRW, die verdientermaßen sogar um den Einzug in den Landtag bangen müssen – in einem Bundesland in dem sie sich immer sicher fühlen konnten: Unter Bildungsministerin Sylvia Löhrmann hat sich das Schulsystem in dem Land zu einem riesigen Chaos entwickelt. Selbst Einwohner haben mittlerweile den Überblick über die sieben verschiedenen Formen der weiterführenden Schule verloren.
Das macht Wahlprognosen genau so schwierig wie die Entscheidung der Bürger an der Urne. In Gesprächen macht sich eine riesige Resignation breit. Das einstige Vorzeigeland der Sozialdemokratie ist heruntergewirtschaftet, aber kaum jemand spricht das Offensichtliche aus. (cwr)
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