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Aus: Ausgabe vom 29.05.2017, Seite 10 / Feuilleton
Popmusik

Solidarität der Sternchen

Von Reinhard Lauterbach

Seit einem halben Jahrhundert ist das Schlagerfestival im polnischen Opole eine feste Größe der polnischen Popkultur. Eingeführt in der Stabilisierungsphase des Sozialismus, als Tingeltangel nicht mehr als konterrevolutionär galt, hat es sich über alle Systemwechsel hinweg gehalten. Ebensolange übertrug das staatliche Fernsehen TVP die Konzerte. In diesem Jahr sollte zusätzlich das 50jährige Bühnenjubiläum der Sängerin Maryla Rodowicz gefeiert werden – mit von der Jubilarin eingeladenen Gästen. Jetzt hat Arkadiusz Wisniewski, der Bürgermeister von Opole, das Festival abgesagt. Der Grund: Das Festival 2017 drohte zu einer Riesenblamage zu werden.

Anlass für den Konflikt war eine Entscheidung des von der Regierungspartei PiS eingesetzten Fernsehchefs Jacek Kurski. Er widerrief die Einladung der Rocksängerin Kayah. Die Interpretin sympathisiert mit dem PiS-kritischen »Komitee zur Verteidigung der Demokratie« (KOD) und ist im Oktober auch beim »Schwarzen Protest« gegen die von der PiS unterstützten Pläne zur Verschärfung des Abtreibungsrechts aufgetreten. Außerdem traf es die Gruppe Dr. Misio, deren geplantes Lied als »nicht sendefähig« wieder aus dem Programm gestrichen wurde. Statt dessen wurden diverse nationalistische Barden engagiert.

Doch diesmal ging Kurskis Plan, die polnische Popszene auf regierungstreu zu bürsten, schief. Aus Solidarität sagten 40 Unterhaltungskünstler ihre Auftritte ab, sogar Jubilarin Rodowicz. Bemerkenswerterweise sind darunter nicht nur etablierte Größen des Showgeschäfts, die sich den Verzicht leisten können, sondern auch Newcomer, für die der Auftritt einen Karriereschub hätte bringen können. Die TVP erwägt jetzt, die Reste des Festivals in die südostpolnische PiS-Hochburg Kielce zu verlegen; auf der anderen Seite bot Jerzy Owsiak, Organisator des bei PiS und Klerus ohnehin verhassten liberalen Rockfestivals »Haltestelle Woodstock« im Juli, an, die Gala für Rodowicz mit den Ausgeladenen in Kostrzyn an der Oder nachzuholen.

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